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Mandela 100 (II) – Bonner Politik einst & Gedenken heute

Mörder von Soweto waren Verbündete der NATO

Am 18 Juli 2018 – jährte sich die Geburt Nelson Mandelas zum 100. Mal. In Bonn ist immer noch keine Straße und kein Platz nach ihm benannt. Aber das kann sich ja noch ändern.
In anderen Städten wurden „100 Jahre Mandela“ auch offiziell gefeiert – in Bonn gedenkt eine Initiative um die Journalistin Sandra Prufer (bonnections) mit einer Veranstaltungsreihe, dem großartigen Menschen Nelson Mandela. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe informierte auch die frühere Geschäftsführerin der Anti-Apartheid-Bewegung, Ingeborg Wick, über den damaligen politischen Kampf in der Bundesrepublik gegen die massive Unterstützung des Apartheid-Regime durch die damalige Bundesregierung in Bonn, sowie deutsche Banken und die bundesdeutsche Industrie. Denn anders als es heute in der Rückschau erscheint, und gerne behauptet oder zumindest suggeriert wird, war das bundesdeutsche Regierungshandeln gegen Mandela und die anti-rassistische Befreiungsbewegung African National Congress (ANC) gerichtet. Die Aufrechterhaltung des rassistischen Mörderstaates in Südafrika wurde in den NATO-Staaten als „Kampf gegen den Kommunismus“ gerechtfertigt. Ein Rassistenstaat als Bollwerk des Westens gegen den angeblich weltweit drohenden Kommunismus. In der Tat unterstützten die sozialistischen Staaten – also Sowjet Union und auch die DDR – die südafrikanischen Befreiungsbewegung ANC und die SWAPO, die Befreiungsbewegung im damaligen Südwestafrika, dem heutigen Namibia.

Imgrunde ihres Herzens waren “schon immer” alle gegen Rassismus

Nach dem Zerfall der Sowjet Union und der Auflösung des Warschauer Paktes gab es keinen Grund mehr, das Rassistenregime in Südafrika aufrecht zu erhalten. Deshalb steht die Freilassung Mandelas im zeitlichen und politischen Zusammenhang mit dem Anschluß der DDR an die BRD. Als Mandela der erste Präsident eines freien Südafrika wurde, war er international umringt von Freunden. Auch fast alle deutschen Politiker und alle im Bundestag vertretenen Parteien waren plötzlich und natürlich im Grunde ihres Herzens „schon immer“ gegen die Apartheid in Südafrika.
Tatsächlich gehörte die jeweilige Bundesregierung in Bonn zu den größten Unterstützern des Rassisten-Staates am Kap. Die Bundesrepublik unterhielt sogar ein „Kulturabkommen“ mit dem Regime. Im Rahmen des „wissenschaftlichen“ Austauschs gab es einen munteren Kontakt zwischen Wissenschaftlichen Instituten beider Länder. Bei den Südafrikanern ganz hoch im Kurs stand dabei die Atomforschung und Raketentechnologie.
So betrieb die heutige DLR – damals DVLR (Deutsche Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt) in Köln-Porz regen „Austausch“ mit Südafrikas Rüstungsforschern. Dieser „Austausch“ war eine Einbahnstraße, denn in Südafrika gab es keine nennenswerte eigene Forschung, von der die weltweit zur Spitze gehörenden Forscher in Köln hätten etwas lernen können. Umgekehrt erhielt Südafrikas Militär wichtige Erkenntnisse aus Porz.
Für ein demokratisches Land geradezu pervers war auch der „Schüleraustausch“ mit Südafrika. Besonders begabte Abiturienten wurden mit eine Reise ins Land der Rassentrennung belohnt.
Im – südafrikanisch besetzten „Südwest-Afrika“ unterhielt und finanzierte die Bundesregierung eine deutsche Schule, die „Deutsche Höhere Privatschule in Windhoek“ (DHPS), an der Rassismus zum Lehrplan gehörte. Als dort die ersten zwei schwarzen Schüler aufgenommen wurden, gab es Anfeindungen der dortigen „deutschen Herrenmenschen“. Zitat aus einem Schulaufsatz „Löwen paaren sich nicht mit Schweinen…“ Zur Geschichte: Das heutige Namibia hieß früher „Deutsch Südwest-Afrika“ und war deutsche Kolonie. Deshalb leben dort auch heute noch sehr viele Deutsche die damals weiter in der Nazi-Ideologie verharrten. Das dürfte sich aber inzwischen weitgehend gehändert haben.

Sechs Atombombem Made in Germany

Von ganz entscheidender Bedeutung war die breit gefächerte militärische und nuklear-militärische Zusammenarbeit zwischen der westdeutschen Industrie und den staatlichen Atomforschungsanlagen den Militärs und ihren Wissenschaftlern in Südafrika.
Das Ergebnis ist bekannt – vor der Wahl Mandelas zum Präsidenten verfügte Südafrika über sechs Atombomben – von der Technologie her betrachtet: Made in Germany.
Denn das Wissen und Know How stammte aus Deutschland, ebenso wie die meisten Komponenten nach dem in Karlsruhe entwickelten Trenndüsenverfahren zur Urananreicherung. Ähnliche enge militärische und nuklear-technische Zusammenarbeit mit Südafrika betrieb nur noch Israel.
Einem Aktivisten der Anti-Apartheid-Bewegung gelang es, sowohl aus dem Büro des damaligen Südafrikanischen Botschafters in Bonn als auch aus dem Chefbüro der Firma STEAG in Essen Beweise für die Weitergabe der „Atombomben-Technologie“ an Südafrika zu entwenden. Aus diesen Unterlagen ging ganz klar hervor: Südafrika erhielt aus der Kernforschungsanlage Karlsruhe und über Verträge mit der damals weitgehend bundeseigenen Firma STEAG das Wissen zum Bau einer Urananreicherungsanlage, in der das in Karlsruhe entwickelte und patentrechtlich geschützten Trenndüsenverfahren angewendet wurde. Die dafür notwendigen Trennelemente, das Kernstück der Anlage, lieferten Siemens und MBB. Verdichter kamen von der Firma GHH in Oberhausen-Sterkrade, damals eine Tochter des MAN-Konzerns.
In einer der Notizen aus der STEAG vom 26. November 1975 heißt es dazu „Betr. Ausfuhrgenehmigung für Nuclear-Komponenten. H. Prof. Fiedler teilte mir telefonisch mit, dass er am 24. 11.75 an einer Besprechung im Wirtschaftsministerium in Bonn teilnahm mit dem Ziel, die Verdichter für Urananreicherungsanalgen von den Exportauflagen freizubekommen. H. Fiedler ist der Meinung, dass die Maschinen dieser Kontrolle in Zukunft nicht mehr unterliegen werden, da man seitens HGG so argumentiere, dass es sich hierbei im Grunde um völlig normale Verdichter handelt…“
Spezielle Absperrschieber lieferte Leybold-Heräus Köln; Meß- und Überwachungssysteme für die Isotopenkonzentration wurden von Varian MAT Bremen geliefert, und Steigerwald München exportierte eine Elektronenstrahlperforiermaschine für Präzisionsmetallbearbeitung nach Südafrika.
Die südafrikanische Urananreicherungsanlage entstand in Pelindaba und wurde auch vom damaligen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Detlev Rohwedder 1975 besucht. Rohwedder bedankte sich nach dem Besuch bei Dr. J.W.L De Villers, dem damaligen Vizepräsidenten des Atomic Energy Board Pretoria für den „für uns hoch interessanten Nachmittag in Pelindaba“. Rohwedder wünschte den Südafrikanern „weitere große Erfolg in ihrer Arbeit“

BRD von UNO und OAU verurteilt – das war BRD-Medien keine Erwähnung wert

Während die Bundesrepublik wegen ihrer militärischen Zusammenarbeit mit Südafrika von der damaligen OAU und auch in der UNO mehrfach verurteilt. Hintergrund war, das damals bestehende völkerrechtich verbindliche UNO-Rüstungsembargo gegen Südafrika.
In der Bundesrepublik fanden diese Verurteilungen der Bundesrepublik keine Erwähnung in den Nachrichtensendungen. Wenn überhaupt gab es kurze Notizen in den Tageszeitungen. Lediglich eine kleine Gruppe engagierter Menschen, die sich zur Anti-Apartheid-Bewegung zusammen geschlossen hatten, sowie einigen Aktionsgruppen gegen Rüstungsexport blieb es überlassen, über den Skandal der Apartheid-Unterstützung aufzuklären und bei Ministerien und Politikern dagegen zu protestieren. Im Rahmen einer solchen Korrespondenz bestätigte der frühere Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Erhard Eppler, seine Kenntnis der Atomlieferungen.
Dr. Eppler schrieb am 4.7.1977:
„…es stimmt: am 10.10.1973 habe ich im Kabinett, schließlich mit Erfolg, gegen eine Zusammenarbeit von STEAG mit der SAR gekämpft.
Am 17.10.73 wurde die Vorlage zurückgezogen. Ich meinte, damit sei die Sache erledigt.
Sie wurde dann trotzdem von den Staatssekretären Rohwedder und Haunschild weiter betrieben, wie ich erst 1975 zufällig erfuhr.
Mit freundlichem Gruß
Ihr Eppler
SAR stand für „Südafrikanische Republik“.
(Anm. d. Red.: Bundeskanzler mit Richtlinienkompetenz zu dieser Zeit: Willy Brandt.)

Aber auch bundesdeutsche Polizisten, Bundeswehr Generäle, Geheimdienstler, so zum Beispiel auch der damalige Chef der GSG 9, Ulrich Wegener und zahlreiche bundesdeutsche Politiker reisten immer wieder ins Rassistenland. Vertreter des Apartheid-Staates waren gern gesehene Gäste bei Bundes- und Landespolitikern.

Deutsche Firmen die Daimler Benz lieferten das Grundmodell für jene Fahrzeuge, aus denen heraus die südafrikanische Polizei in der Armensiedlung von Johannesburg – dem sogenannten Township SOWETO noch am 16. Juni 1976 einen Schüleraufstand zusammenschoss. Am vormittag des ersten Tages gab es zwei Tote und zehn verletzte Schüler. Bei den weiteren Protesten in weiteren Townships und Streiks kamen über 400 Menschen um, über 3000 wurden verletzt.

U-Boot-Lieferung aus Kiel veranlasste erstmals Untersuchungsausschuss

Aus der Bundesrepublik stammten auch Anlagen für die Überwachungselektronik, Radar und Sonaranlagen, Maschinen für die Munitionsherstellung. Die Firma Goldhofer lieferte Panzertransport-Anhänger. Von großer Bedeutung für das – ansonsten international weitgehend isolierte – Südafrika waren auch die südafrikanischen Tochterfirmen deutscher Unternehmen. So beteiligten sich die Firma Salzgitter über ihre südafrikanische Tochter am Marineprojekt „Advokaat“, VW Südafrika baute Militär-Jeeps. Sandock-Austral, ein südafrikanisches Unternehmen, an dem damals Thyssen beteiligt war, baute gepanzerte Fahrzeuge.
Lediglich die Lieferung von Bauplänen von U-Booten durch die HDW Kiel und weitere Firmen veranlasste die Bundestagsabgeordneten von Grünen und SPD einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Im Zuge dieser Ausschussarbeit wurde erstmals in der breiten Öffentlichkeit Einzelheiten über die enge Zusammenarbeit zwischen deutschen und südafrikanischen Militärs und Politikern bekannt.

Auch die politischen Stiftungen der CDU und CSU, Konrad-Adenauer-Stiftung und Hanns-Seidel-Stiftung taten alles, um die Herrschaft der Rassentrennung am Kap der Guten Hoffnung aufrecht zu erhalten. So wurden die damals von Südafrika eingerichteten „Homelands“ und deren Chiefs von beiden Stiftungen unterstützt und alles unternommen, um die Befreiungsbewegung ANC zu bekämpfen. Auch die deutschen Geheimdienste BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz unterstützten Südafrika, indem sie inländische und ausländische Anti-Apartheid-Aktivisten überwachten und ihr Wissen den Südafrikanern mitteilten.

Weitere Informationen gibt es beim „Kulturcafe“ zum Thema „100 Jahre Nelson Mandela – Was ist das Erbe?“ am Sonntag, 26. Augsut 2018 11:30 bis 14:00 Uhr im MIGRApolis Haus der Vielfalt, Brüdergasse 16-18 53111 Bonn.
Unter der Leitung von Sandra Prufer werden mehrere Journalisten das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Der Autor nimmt an dieser Runde teil.

Ein Kommentar

  1. Hidir Celik

    Nelson Mandele lebt mit uns. Ein Gedicht von mir für ihn.

    Nelson Mandela

    Die Stimme der Freiheit
    Die Farbe der Gerechtigkeit
    Der Wegweiser der Weisen

    Deine Gedanken keimen die Hoffnung in mir auf eine gewaltfreie Zukunft
    Du hast uns gezeigt, dass die Würde des Menschen die Despoten dieser Welt besiegen kann

    Ohne Gewalt
    Ohne Wut
    Ohne Rache an der Vergangenheit

    Deine Stimme schmeichelt meiner Seele
    zieht mich in Deiner Welt für Freiheit und Gerechtigkeit

    Dein Lächeln bleibt in meinem Gedächtnis ewig
    Deine Augen strahlen die Wärme in mir,treiben die Kälte des menschlichen Daseins von mir weg

    Du bist mein Wegweiser, der mir den Weg der Vernunft zeigt,
    und in mir die Gedanken entströmt
    wie ein Fluss in ferne Länder, die mir Heimat wurden…..

    Wir singen tanzend Deinen Abschied für unsere Zukunft
    Du bleibst dennoch bei uns auf dieser Welt
    in unseren Herzen und Gedanken bleibst du unser Held

    (06.12.2013)

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