Wenn Andrea Nahles ein erfolgreiches Interview-Wochenende absolviert hat, können wir sicher sein, dass das Sigmar Gabriel nicht ruhen lässt. Und wenn das Nahles-Interview bei der Funke-Mediengruppe lief, liegt es nahe, dass der einzige übriggebliebene Konkurrent nördlich des Main, das “Redaktionsnetzwerk Deutschland”, mit dem weniger hübschen Namen Madsack, dem ehemaligen Aussenminister nur ein Diktiergerät auf den Tisch legen muss, damit es ordentlich losgeht. Zumal: wenn er schon seine Politjobs losgeworden ist, dann will er das frei reden können als positive Kehrseite wenigstens vollständig auskosten.
Für uns als Publikum mag das den Vorteil haben, dass wir besser verstehen, worum es zwischen Deutschland und der Erdogan-Türkei geht. Den Handelnden erschwert das dagegen das sowieso schon anstrengende diplomatische Geschäft. Ein Kollateralschaden, der Sigmar vielleicht gar nicht so unrecht ist, so ungerecht, wie er sich behandelt fühlt. Nahles als Parteichefin des Aussenminsters, den strategisch einzubinden schon kompliziert genug ist, konnte sich nicht klarer ausdrücken als sie es getan hat.
Eine Oppositionspolitikerin aber kann das sehr wohl. Das hat Claudia Roth heute mittag im DLF getan. Und ja, ich stimme ihr in allen Punkten zu. Es wäre schon ein Riesenfortschritt, wenn das in den Köpfen der Regierungssozialdemokrat*inn*en nur still mitgedacht würde.

Wie viel sozialer und politischer Schaden von Deutschland aus, und zwar von rechter Regierung und linker Opposition, angerichtet werden kann, das ist heute in Griechenland zu besichtigen. Jürgen Gottschlich, taz-Korrespondent in der Türkei, ist einer der Letzten, der den Realo-Linken Alexis Tsipras gegen rechtes Deutschland und linksradikale Sektierer*innen-Kritik verteidigt. Dass Tsipras’ Ex-Finanzminister und heutiger Kritiker von links ihn in der deutschen Öffentlichkeit ausgerechnet über eine sogenannte Zeitung kritisiert, zeugt nicht davon, dass ihm seine öffentliche Glaubwürdigkeit sehr wichtig ist. Schliesslich ist er auch Initiator einer der vielen, unzähligen, angeblichen “linken Sammlungsbewegungen” (Diem25) – eine Begrifflichkeit, die sich derzeit wandelt: vom wörtlichen Inhalt zur Bezeichnung eines PR-Geschäftsmodels und Firmenschildes.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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