Vielleicht würde ich ihre Nähe nicht lange aushalten. Personen, deren Medienpräsenz in mir grosse Zuneigung wecken, verdächtige ich dessen fast immer. Wo es einen Nordpol gibt, gibt es immer auch einen Südpol. So ein Fall ist für mich Charlotte Roche, der ich noch bei keiner Preisverleihung und auch nicht in Köln auf der Strasse begegnet bin. Die Jüngeren werden sie gar nicht mehr kennen, so rar hat sie sich zuletzt gemacht. Am auffälligsten war noch, dass sie sich namentlich und mit verblüffend präziser Beschreibung in der #metoo-Affäre gegen WDR-Fernsehspielchef Gebhard Henke positioniert hat, und dafür von seinem Anwalt Peter Raue übel beschimpfen lassen musste.
Jetzt ist sie wieder aufgetaucht mit diesem Interview mit dem Branchendienst meedia (Holtzbrinck-Konzern). Sie will wieder in der Glotze erscheinen, plant was mit dem NDR. Keine Ahnung, ob es das Ansehen lohnen wird. Meine Zweifel, dass TV-Redaktionen noch was Kreatives einfällt, wachsen eher, als dass sie jemand verringert. Andererseits: mit dem bekannt “schwierigen” Bjarne Mädel war dem NDR der schöne “Tatortreiniger” gelungen – also: geben wir die Hoffnung nicht auf.
Sehr gelohnt hatten sich seinerzeit die Talkshows von “Roche&Böhmermann”, ein Meisterwerk der heute beim ZDF gut versorgten Produktionsfirma btf (“Bild-und-Ton-Fabrik”) in Köln-Ehrenfeld. Herausragend waren durchgehend das Gäste-Casting, sowie die Kommentierung der Gäste durch die geniale Sibylle Berg. Sie zu gewinnen, war allein schon ein kleines Kunstwerk. “Schulz&Böhmermann” folgte darauf, war immer noch besser, als der gesamte sonstige Talkshow-Trash, aber zwei vorlaute Jungs war einfach nicht dasselbe und wurde ermüdend. Während Böhmermann mithilfe von btf seinen Weg machte, schied Roche aus. Beider öffentliche Ausführungen dazu bleiben unergründlich. Waren es komplexe Geschäftsinteressen? Oder wirklich nur zwei Bekloppte, die frontal zusammenkrachten? Ich neige im Verdacht immer zu ersterem, aber meistens ist alles einfacher, als wir denken.

Und nun was weniger Erfreuliches

Und nun zum Gegenteil von Roche: Dieter Nuhr, weder so kreativ. noch attraktiv und lustig wie Charlotte, dafür ein älterer Mann und mit Beschäftigungs-Flatrate beim Einschaltquoten-Abkackverein ARD. Mein Mitautor Dieter Bott hat ja immer Humorkritik an der heute-show gefordert, berechtigt. Dieter Nuhr ist selbst das kaum wert, jedenfalls nicht unter der Bezeichnung “Humor”. Ex-Bundesrichter Thomas Fischer, den Die Zeit als Kolumnisten vor die Tür gesetzt und an Spiegel-online transferiert hat, hat anscheinend noch Ansprüche an den Holtzbrinck-Konzern, der ihn zur Strafe Dieter Nuhr gucken und das anschliessend kritisieren liess. Schreiben kann er ja, der ehemalige Richter.
Nuhr kokettiert ja immer damit (wie auch eine Partei, fällt mit gerade nicht ein), welche bösen Menschen ihm alle gerne den Mund verbieten wollen. Nee, da wäre ich gegen. Aber ein Bürgerrecht, von mir dafür bezahlt zu werden, besteht nicht. Bei dem Gedanken wird mir immer übel.

Anke Schäferkordt machts wie ich – nur mit mehr Geld

RTL-Bossin Anke Schäferkordt hört bei Bertelsmann auf, sie verlässt ein sinkendes Schiff. Als sie begann, war der Konzern noch unter den ersten 5 der globalen Medienkonzerne. Schäferkordt profilierte sich 1995-05 als Vox-Chefin Unter ihrer Geschäftsführung rollte der Minisender die deutsche TV-Landschaft mit innovativen US-TV-Serien auf. Die bekannteste war die anorektische “Ally McBeal” – ihre normalgenährte toughe schwarze Mitbewohnerin war seinerzeit meine Lieblingsfigur. Weil Schäferkordt bei Vox so gut war, wurde sie zu RTL und in den Bertelsmann-Konzernvorstand geholt. Bertelsmann ist weltweit nur noch auf Rang 16, das lineare Privat-TV liegt im Sterben. Die Arbeit war anstrengend und hart, für sie selbst, und die Schlechterbezahlten um sie herum. Zeit zu gehen, so lange frau noch Schönes unternehmen kann.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net