Ich fühle mich selbst ertappt. Ich habe 1976 den Kriegsdienst für die BRD verweigert. Dass sich in der Bundeswehr Rechtsradikale und alle möglichen anderweitig bekloppten Männer versammeln, das war mir damals schon klar. Dass sie jetzt verbrecherische Netzwerke bilden sollen, hat für mich emotional nicht den Charakter einer neuen Nachricht. Tja, so kann mann wichtige Nachrichten übersehen.
Bemerkt habe ich das erst, als das Thema in meiner medienpolitischen Filterblase auftauchte. Das verdienstvolle DLF-Medienmagazin @mdiasres diskutierte gestern, warum eine diesbezügliche taz-Recherche ohne Resonanz bleibe. Auch Marktführer Mascolo (NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung) kam zu Wort – kann ich auch nichts dafür, wir machen auch nur unsere Arbeit, haben gerade Wichtigeres zu tun.
Nicht viel besser die Kolleg*inn*en von uebermedien.de: der Text von Samira El Ouassil fängt gut an … und verschwindet hinter der Paywall.
Die Andern machen nix – was macht die taz?
Ich bin ja immerhin taz-Leser. Schauen Sie mal die taz-Homepage an. Finden Sie das Thema? Ich nur, wenn ich danach suche. OMG, das ist schon fast zwei Wochen alt! Und ja, Autor Martin Kaul war mir schon in anderen thematischen Zusammenhängen als engagierter Recherche-Reporter aufgefallen.
Der Recherche-“Markt” ist hierzulande arg übersichtlich geworden. WDR und NDR betreiben kaum noch Fachredaktionen und betreiben den Rechercheverbund als Zentrale ihrer Marketingstrategie. Die müssen jetzt alles wuppen, was für relevant gehalten wird. Durch aggressives Eigenmarketing haben sie die Marktführung erobert. Wer was durchstechen will, gibt es denen. Auch Seilschaften “unserer” Geheimdienste.
Dahinter, und das wird Mascolo eine ganz spezielle innere Freude sein, folgt der Spiegel. Der sucht sich wechselnde Bündnispartner, bei Football-Leaks auch WDR und NDR – und konnte sich drauf verlassen, dass sie ihm die Arbeit überlassen.
Die bundesweiten Netzwerke RND (“Redaktionsnetzwerk Deutschland” = Madsack) und Funke-Mediengruppe fallen allenfalls durch Exklusiv-Interviews auf, die sie bekommen, weil sie die Zentrale für hohe Verkaufszahlen zahlreicher Regionalzeitungen darstellen (DuMont ist z.B. bei Madsack untergeschlüpft). Ihr Zweck ist nicht – die sowieso kaum bemerkbare – Recherche, sondern Rationalisierung und Kostensenkung in Zeitungsverlagen und -redaktionen.
Im “weiteren Kreis” operiert ausserdem Correctiv als Recherche-Dienstleistungsanbieter mit wechselnden Partner*inne*n. Hervorgegangen aus der einstigen WAZ-Rechercheredaktion, die nur bestand, bis die sozialdemokratische Erbengemeinschaft “Brost” sich von der CDU-nahen Familie “Funke” hat herauskaufen lassen. Die aus diesem Deal hervorgegangene “Brost-Stiftung” (Geschäftsführer: Bodo Hombach) hat dann die Startfinanzierung von Correctiv abgesichert.
Und jetzt die Preisfrage: welches Interesse hätte eine*r dieser Akteur*inn*e*n, Trommelwirbel für die Arbeit von Martin Kaul u.a. zu machen? Und welchen Grund hätten Handelnde im Hauptstadtberlin, darauf zu reagieren und damit die Aufmerksamkeit darauf zu erhöhen?
Diese strategische Lage wird der taz-Redaktion weitgehend bekannt sein. Damit bleibt auch eine Frage an ihr hängen: warum ist die Vermarktung so schlecht?
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