Mit Update
Frederik Schindler gibt den bracheninternen Kritikern von Grimme-Instituts-Chefin Frauke Gerlach heute Raum in der taz. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Darum hier einige subjektive Ergänzungen.
Bei Gerlachs Wahl haben männliche Konkurrenten den Kürzeren gezogen. Qualifizierte Konkurrenten; darüber würde ich am Beispiel Dieter Anschlag nicht zweifeln. Die Community der Medienpublizistik ist recht übersichtlich. Alle kennen sich untereinander. Die Einen mag mann, die Anderen weniger. Das ist menschlich und nicht verwerflich, sollte nur beim Betrachten so einer Szenerie nicht vergessen werden. Wenn dann noch eine Frau gewinnt … mit einer wissenschaftlichen Qualifikationslinie, die viel über Hartnäckigkeit und Durchsetzungskraft verrät. Dagegen ist eine Niederlage – ironiefrei – ehrenvoll.
Gerlach hatte schon einmal knapp den Kürzeren gezogen, bei der Direktorenwahl in der NRW-Landesanstalt für Medien (LfM), mit einer Stimme Unterschied gegen den CDU-Kandidaten Jürgen Brautmeier. Gerlach als (gewählte) Chefin der Medienkommission war mehrere Jahre Chefkontrolleurin von Brautmeier. Das hat den Mann bis heute traumatisiert, Gerlach dagegen nicht.
Schindlers und anderer dort zitierter Kollegen Wunsch, das Grimme-Institut in öffentlichen Diskursen mehr wahrzunehmen, ist verständlich, aber nicht Gerlachs einzige Aufgabe als seine Chefin. Etliche ihrer männlichen Vorgänger, ich nenne nur die von mir hochgeschätzten Lutz Hachmeister und Bernd Gäbler, sind noch heute präsenter. Sie kennen sich in Selbstvermarktung ziemlich gut aus, “Rampensäue” bzw. “-eber” – finde ich immer super, wenn es gutem politischem Zweck dient. Gäblers Texte für die Otto-Brenner-Stiftung erreichen auch (hier und hier) im Extradienst tolle Klickzahlen. Kluge Köpfe, zweifellos. Eine Rampensau ist Frauke Gerlach nicht.
Indes habe ich bei den Jungs in anderer Hinsicht Zweifel, die ich bei Frauke Gerlach nicht habe. Waren (und sind) sie auch gute Unternehmensleiter? Und gute Chefs? “Gute Chefs” heisst nicht weich, aber klar und handwerklich seriös bei der Kommunikation nicht nur zum Strahlen nach aussen, sondern auch beim Umräumen innen. Ich habe selbst in den 90ern einen – später so beschlossenen – Landtagsantrag formuliert, um dem Grimme-Institut unter Gäblers Leitung einen höheren Zuschuss zu verschaffen. Das hatte es damals auch nötig.
Wenn die Gesellschafterversammlung Frauke Gerlach also wiederwählen sollte, dann, weil sie über das Innenleben des Grimme-Instituts mehr weiss, als die Jungs, die sich von dort mehr Geräusch wünschen.
Update 6.12.: Gestern am späten Nachmittag meldete die Vorsitzende der Gesellschafterversammlung des Grimme-Instituts die Vertragsverlängerung von Frauke Gerlach um weitere fünf Jahre. Glückwunsch!
Disclaimer: Ich war 1998-2005 Arbeitskollege von Frauke Gerlach in der NRW-Landtagsfraktion der Grünen. 2011-2014 war ich ihr Stellvertreter als Mitglied der Medienkommision der LfM-NRW. Seit gut zwei Jahren sind wir uns – leider – nicht mehr begegnet. Einzige Ausnahme: die Übermittlung dieses Beitrages für diesen Blog.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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