Ein durchgehend prägendes Problem des Ruhrgebietes ist, dass sein beherrschender Medienkonzern zugunsten optimierter Profitraten auf intellektuelle Interventionen in Diskurse dieser Republik verzichtet hat. Er hat damit eine unsichtbare Wand um die Region gelegt, weil sie vom Rest der Öffentlichkeit trotz Neugründung zahlreicher Hochschulen nur wahrgenommen wurde, wenn es drohte sozialpolitisch zu “brennen”. Dass das nicht passierte, dafür sorgte die IG Bergbau, und liess es sich und ihren Mitgliedern anständig bezahlen.
Dieser beherrschende Konzern war die WAZ, die, nachdem die Erbengemeinschaft der sozialdemokratischen Eltern Brost sich hat herauskaufen lassen, “Funke-Mediengruppe” heisst. Jahrzehntelange Konzernstrategie: Personal einsparen und Konkurrenz, die nicht vernichtet werden kann, aufkaufen. Mit beidem wurden zarte publizistische Pflänzchen vernichtet, wie es Glyphosat auch nicht besser hinbekommt. Das Geld, das die Konzernführung für Auf- und Herauskäufe ausgibt, lässt sie sich immer von ihrer Belegschaft bezahlen. Jetzt ist vom ehemaligen Spiegel-Verlagsleiter Saffe die nächste Runde angekündigt. Mit Verlagseigentümer*inne*n im Greisenalter wird vermutlich auch dieser Konzern sterben. Heute noch hält er seine Mauer ums Ruhrgebiet aufrecht; es ist heute eine aggressiv verwendete Paywall. Bundesweit relevante Medienalternativen gibt es im Ruhrgebiet bis heute nicht. Wer sich ernsthaft für die Region interessiert, muss, nachdem nun auch Andreas Rossmann/FAZ in Rente gegangen ist, durch Blogs flanieren.
Unsichtbare Mauern – ums Ruhrgebiet und um Berlin
Das ist den meisten jedoch zu mühselig. Sehen wir z.B. bei dem grundsätzlich hochkompetenten Fußball-Kolumnisten Martin Krauss, der in seinem Assauer-Nachruf allen Ernstes mit Bezug auf Gelsenkirchen und die Schalke-Arena behauptet: “Sonst ist da nichts.” Der fast schon hasserfüllten Gelsenkirchen-Ignoranz der taz setzt er damit eine weitere Krone auf. Diese Sehstörung muss daran liegen, dass es um Berlin immer noch eine Mauer gibt. Aber sie liegt auch daran, dass es keine Ruhrgebiets-Publizistik gibt, die bis nach Berlin reicht.
Besser wärs aber. Denn im Ruhrgebiet leben allein doppelt so viele Wähler*innen wie in Berlin, mehr wenn sie selbst Brandenburg dazuzählen. Und die ticken anders, als in den Hauptstadtbüros und den Cafes vom Prenzlauer Berg oder dem gentrifizierten Kreuzberg. Und anders als in Konzern- und Banken-Zentralen. Dort wurde jüngst phantasiert, dass die Welt untergeht, wenn die SPD ihre jüngsten sozialpolitischen Pläne durchsetzen könnte. Manfred Güllner, FroG (Freund von Gerhard Schröder) veröffentlichte eine Bayern-Umfrage mit 6% für die SPD, und zeitgleich, was für ein Zufall, lederte Schröder über die verhasste Auslöfflerin seiner Hinterlassenschaften Andrea Nahles ab. Ein klassisches Szenario, das in Berlin und Frankfurt für Aufregung und Schlagzeilen sorgt, den Menschen im Ruhrgebiet aber am Arsch vorbeigeht.
Die Rente ist wichtiger als Schröder gegen Nahles
Rente dagegen ist in einer Region, in der die Knappschaftsrente erfunden wurde, eine wichtige Sache. Und plötzlich gibt es eine Umfrage, die eine steigende Stimmung für die SPD sieht (und bei der AfD nur 8%!), wie es sie seit den scheiternden “Jamaika”-Verhandlungen nicht mehr gegeben hat.
Es ist nur eine Momentaufnahme. Aber der Moment ist interessant.
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