Eine Republik, wie sie in Deutschland besteht, kann sich glücklich schätzen, wenn ihre Protestbewegungen sich für das Recht auf Wohnen, das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit (EU-Urheberrecht) oder den Schutz des Klimas einsetzen. Sie alle leisten damit wichtige Beiträge für die Verteidigung eines sozialen und demokratischen Bundesstaates. Und es erweist sich erneut, dass in Deutschland die Konservativen, blindlings das Bestehende Verteidigenden, die eigentliche Gefahr für Verfassung und Demokratie sind. In dieser Einsicht bestärkte mich soeben Steffen Vogel, der in den Blättern desillusionierend-kritisch die Entwicklung der “Gelbwesten” und ihre Wirkung auf das dortige politische System Frankreichs beschreibt.
Im Diskurs, in der gesellschaftlichen Diskussion läuft dennoch, auch und gerade hierzulande, einiges schief. Kennen Sie z.B. Raphael Thelen? Ich auch nicht. Bei seinem vorgesetzten Redakteur vom SZ-Magazin ist er jedenfalls als “linker Journalist bekannt”. Was so für “bekannt” gehalten wird. Wenn ich einen Journalisten erst “kennen” muss, um seine Texte richtig zu verstehen, dann kann er doch schon irgendwas an seinem Beruf nicht verstanden haben. Ich sehe ein, dass ein Journalist, der von dieser Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten will, heute “gezwungen” ist, sich auch auf Twitter mitzuteilen. Ein Medium, das Eitelkeit befriedigt und “Community”-Gefühle erzeugt und bestärkt – andere nennen es Blase. Das intelligent, wirkungsvoll und unmissverständlich zu bedienen, davon fühlen sich sogar angehende Bundeskanzlerkandidaten intellektuell überfordert. Es muss also eine komplizierte Kunstform sein. Stefan Niggemeier, einer der besten deutschen Medienjournalisten ist mitfühlend mit dem Kollegen Thelen, setzt sich mit ihm zusammen, fragt ihn aus und lässt ihn reden über all diese Probleme. Und als ich soeben beginne, Verständnis für den bedauernswerten Wicht zu entwickeln, rasselt die Paywall von uebermedien.de herunter (gewöhnlich wird sie nach ca. einer Woche entfernt). Und rundet damit das Gesamtbild des Vorgangs ab, wie es schöner nicht möglich ist.
Er kann in die Lehrbücher der Zukunft aufgenommen werden: so unterentwickelt war die menschliche Kommunikation in den 10er Jahren.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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