Stefan Krempl/heise online meldet die “Handlungsunfähigkeit der öffentlichen Hand”. McKinsey soll herausgefunden haben, dass sie droht. Und lobt, bei dieser Autorenschaft keine Überraschung, den Austausch von IT-Mitarbeitern zwischen Deutscher Bank und Bundesinnenministerium. Die Privatisierung des Regierens schreitet voran, nicht nur beim Abfassen von Gesetzentwürfen. Die Stadt und der Staat als Konzern ist die ultimative Traumperspektive aller Neoliberalen und sie treiben es voran, egal wie wir wählen und abstimmen.
An McKinseys Diagnose ist richtig, dass trotz der Jobsicherheit immer weniger Hochqualifizierte Lust auf Öffentlichen Dienst haben. Woanders können sie mehr verdienen und verfügen über mehr Selbstbestimmung. In Bonn muss z.B. der Chef der Wohnungsbaugesellschaft auch das WCCB betreiben. Es gibt nicht genug leistungsstarke Führungskräfte auf dem Markt, die sich mit ihm messen können – und für die Stadt auch bezahlbar wären. Seit – gefühlt – Jahrzehnten sucht die Stadt Bonn eine starke Führung für ihr Städtisches Gebäudemanagement (SGB), also Bau und Verwaltung aller städtischen Immobilien, vom Stadthaus bis zu den Schulen. Wie überall fehlt in der Stadtplanung Personal, um Wohnungsbauprojekte schneller voranzutreiben. Und die Parteien leiden seit Jahrzehnten unter Qualifikationsmangel in ihrem Führungspersonal – Städte und Gemeinden spüren und erleiden das zuerst. Dieser Mangel an Personal und Qualität ist sehr, sehr teuer. Er kostet mehr, als durch die niedrige Bezahlung eingespart wird.
Wann wird das verstanden? Ich weiss es auch nicht. Marcus Klöckner/nachdenkseiten befragte den Autor Alexander Unzicker, der ein Buch mit dem langen Titel “Wenn man weiß, wo der Verstand ist, hat der Tag Struktur. Anleitung zum Selberdenken in verrückten Zeiten.” verfasst hat. Es ist nicht so abgehoben-philosophisch, wie es klingt.
Inspiration für die Überschrift über diesem Text war das starke Porträt, das Miriam N. Reinhard/Jungle World zu Alexander Gauland veröffentlicht hat. Sie geht nicht in die Falle individualistischer Personalisierung und Dämonisierung, sondern zeichnet die roten Fäden, die sich durch das deutsche Bürgertum ziehen, nach. Mit dem klugen Fazit: “Wie die Geschichte ausgeht, steht weiter zu Wahl.” Frau Reinhard weiss auch zu anderen Themenfeldern Kluges zu schreiben. So entdeckte ich von ihr diesen Text zum Streit zwischen “Emma-” und “Gender-Feministinnen” – hier flüchtet sie nicht in die Rolle einer neutralen Schiedsrichterin, kritisiert beide Seiten, bezieht aber auch selbst Stellung – Kompliment!
Heute auch informativ und aufschlussreich:

Indien
Gilbert Kolonko/telepolis zu den Tricks des indischen hindunationalistischen und neoliberalen Regierungschefs Narendra Modi in seinem Wahlmkampf.

Barca
Eine berechtigte Hymne von Florian Haupt/Sp-on auf den gegenwärtigen Fußball des FC Barcelona. Ein Argentinier und ein Uruguayo repräsentieren den Stolz Kataloniens – und alle Fans des schönen “linken” (nach Menotti) Fußballs haben Spass dabei. Barca beweist, und liefert Trost für alle Borussen-Fans (egal welche Borussia), dass es doch möglich ist, dass die Besten gewinnen. Die Welt ist nicht überall schlecht, das Fanleben nicht überall so sinnlos …
Ist Günter Netzer eigentlich dement? Ich sah ihn gestern in einem TV-Bild applaudieren, als zwei verurteilte Kriminelle jubelnd ihre Arme reckten …

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net