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BDS entgegentreten

von 16 Grünen-MdBs (Namen s.u.)
Erklärung zur Abstimmung nach § 31 GO-BT zu ZP 11 „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ der Abgeordneten

Wir können dem Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und der Mehrheit der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen.

Verschiedene Umfragen aus den vergangenen Monaten haben gezeigt, dass antijüdische Vorurteile, Einstellungen und Haltungen in den Staaten der Europäischen Union stark ansteigen.

Vor diesem Hintergrund unterstreichen wir die Aussage des interfraktionellen Antrags: Es gibt keine legitime Rechtfertigung für antisemitische Haltungen. Das entschiedene, unbedingte Nein zum Hass auf Jüdinnen und Juden gleich welcher Staatsangehörigkeit ist Teil der deutschen Staatsräson. Antisemitismus mit seinen mörderischen Folgen hat sich als die verheerendste Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der Geschichte unseres Landes und in ganz Europa erwiesen. Und auch heute noch ist Antisemitismus eine Bedrohung sowohl für Jüdinnen und Juden als auch für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Es ist beunruhigend und nicht hinnehmbar, wenn Antisemitismus in den vergangenen Jahren zugenommen hat und die jüdische Gemeinschaft zunehmend verunsichert ist.

Seit Jahren ruft die 2005 aus der palästinensischen Zivilgesellschaft entstandene Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“ (abgekürzt BDS) zur Isolation und zum wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Boykott des Staates Israel auf. Sie will damit gewaltfrei ein Ende der israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete sowie des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten erreichen. Dabei lässt das Manifest von BDS bewusst offen, wie das Verhältnis zwischen Israel*innen und Palästinenser*innen geregelt werden soll. Es beinhaltet kein klares Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Regelung oder zum Existenzrecht Israels.

Zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen haben sich vor allem in den palästinensischen Gebieten aber auch international dem BDS-Aufruf angeschlossen. Sie sind nicht zentral organisiert. Einige Gruppen und Akteur*innen stellen unter dem Dach von BDS aber die Existenzberechtigung Israels in Frage. Auch kommt es zum Teil zur Dämonisierung der israelischen Bevölkerung in verschwörungstheoretischer Art und Weise.

Es gibt Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung, die antisemitisch sind und Assoziationen mit der widerlichen Nazi-Parole „Kauft nicht bei Juden!“ hervorrufen. Tatsächlich fordert die BDS-Bewegung zwar die Umsetzung des Völkerrechtes im israelisch-palästinensischen Konflikt, lässt aber die Frage offen, in welcher Struktur dieser Konflikt geregelt werden soll.

Wir halten dies für politisch falsch. Antisemitischen Äußerungen inner- oder außerhalb von BDS treten wir entschieden entgegen. Wir finden es schädlich, dass die BDS-Bewegung bewusst die Frage danach offen hält, wie der israelisch-palästinensische Konflikt geregelt werden soll. Damit setzt sie sich dem Verdacht aus, den Fortbestand des mehrheitlich jüdischen Staates Israel nicht zu wollen. BDS trägt so gewollt oder ungewollt dazu bei, die Zwei-Staaten-Perspektive zu untergraben.

Wir sind der Überzeugung, dass nur eine Zwei-Staaten-Regelung des israelisch-palästinensischen Konfliktes es ermöglicht, den Staat Israel als demokratischen Staat mit einer jüdischen Mehrheit in Frieden und Sicherheit dauerhaft zu erhalten und fortzuentwickeln, ohne den Palästinenser*innen das nationale Selbstbestimmungsrecht zu verweigern.

BDS für seine Ablehnung einer Zwei-Staaten-Lösung zu kritisieren, sein fehlendes Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zu kritisieren, die ungenügende Auseinandersetzung mit Antisemitismus in den eigenen Reihen zu verurteilen, ist richtig. Es ist aber etwas ganz anderes, BDS, alle beteiligten Organisationen und Einzelpersonen pauschal als antisemitisch zu bezeichnen, wie es der Antrag bereits in der Überschrift insinuiert. Damit werden weite Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung, aber auch vereinzelte israelische Initiativen, die sich gewaltfrei für ein Ende der völkerrechtswidrigen Besetzung einsetzen und vor diesem Hintergrund BDS unterstützen, in die antisemitische Ecke gestellt.

Im interfraktionellen Antrag findet der Anlass für die Gründung von BDS – die über ein halbes Jahrhundert währende Besetzung – keine Erwähnung. Genauso wie Teile von BDS nicht unterscheiden zwischen Israel und den von ihm besetzten Gebieten, kennt dieser Antrag nur israelische Gebiete. Auch fehlt – trotz offenkundiger Anlässe – jedes Bekenntnis zum Schutz und zur Verteidigung der Meinungsfreiheit.

Wir widersprechen Versuchen, eine Politik der Unterscheidung zwischen dem Territorium des Staates Israel und den besetzten Gebieten – wie sie von der EU vertreten wird, und zu der die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 2334 vom Dezember 2016 aufruft – als pauschalen Boykottaufruf gegen den Staat Israel und als BDS zu diffamieren und zu delegitimieren.

Diese Versuche sind umso fahrlässiger, als die Diffamierung von Gegner*innen der Besatzung als „antisemitisch“ und „antiisraelisch“ zur Standardargumentation der rechtsnationalistischen Regierung Netanjahu gehört. Gestützt auf diese Argumentation, begleitet durch einen forcierten Bau von Siedlungen arbeitet die Regierung Netanjahu an der faktischen (Teil-) Annexion der besetzten palästinensischen Gebiete.

Wir teilen die Einschätzung des früheren Mitglieds der Knesset, Mossi Raz (Meretz), dass ein Fokus auf der sich abzeichnenden Annexion der Gebiete liegen sollte. Deshalb bat er seine Schwesterpartei in Deutschland: „I urge you not to lend your support to any initiative that equates BDS with anti-Semitism, that conflates Israel with occupied Palestinian territories and that weakens international opposition to the settlements“.

Diese Sorgen werden verstärkt durch die Einzelheiten des vorgelegten interfraktionellen Antrags. So fordert der Antrag die Bundestagsverwaltung sowie Städte und Gemeinden auf, keine Räumlichkeiten für die BDS-Bewegung oder Gruppierungen, die deren Ziele aktiv verfolgen, zur Verfügung zu stellen. In München führte ein ebenso pauschaler Beschluss dazu, dass im städtischen Museum anschließend nicht einmal mehr das Für und Wider dieses Verbots diskutiert werden durfte.

Der Antrag fordert die Bundesregierung zudem auf, keine Projekte mehr finanziell zu fördern, die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen. Damit drohen diverse entwicklungspolitische Projekte in Palästina, aber auch die Zusammenarbeit politischer Stiftungen mit zahlreichen Akteur*innen der israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung in Frage gestellt zu werden. Deshalb wird aus vielen Stiftungen aber auch aus kirchlichen sowie nicht-kirchlichen Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen der interfraktionelle Antrag abgelehnt.

Aus allen diesen Gründen können wir diesem Antrag nicht zustimmen.

Canan Bayram, Erhard Grundl, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Monika Lazar, Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Lisa Paus, Beate Müller Gemmeke, Beate Walter-Rosenheimer, Claudia Roth, Maria Klein-Schmeink, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin, Sylvia Kotting-Uhl

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2 Kommentare

  1. Heiner Jüttner

    Israel hat es geschafft, den Unterschied zwischen Antisemitismus und Israelkritik weitgehend zu verwischen. Wer heute Israels Politik kritisiert, demn wir mit der Antisemitismuskeule gedroht. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.
    Früher waren wir stolz darauf, das Apardheidregime in Südafrika zu kitisieren und zu boykottieren. Heute rügt uns der Bundestag, wenn wir das Gleiche mit dem Apardheidregime in Israel tun.

  2. Martin Böttger

    Lieber Heiner, Dein Vergleich mit Südafrika ist schlicht falsch, und zeigt., was die Hitze dieser Diskursgefechte anrichten kann. So zutreffend, wie die These war, dass die Regierungen der südafrikanischen Apartheid und Israels – auch militärisch – zusammengearbeitet haben (das hat die BRD, auch und gerade unter Kanzler Brandt, auch getan), so wenig ist die unzureichende bürgerliche Demokratie Israels, wie unsere kritisierenswerte deutsche auch, ein Regime, das mit dem der südafrikanischen Apartheid vergleichbar ist

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