Wundersame Bahn XXX
Weil Journalisten ja oft vorgeworfen wird, sie würden nur Negatives berichten, hier zu Beginn mal was Positives. Ich habe es wirklich erlebt. Ich steige aus der Straßenbahn 62 aus Bonn-Oberkassel kommend – die dort übrigens pünktlich ankam und auch pünktlich wieder losfuhr, – und dann das: Ich komme zum Bonner Hauptbahnhof und am Gleis 1 fährt ein Zug ein. Auch noch einer, der mich an mein Ziel brachte. Da habe ich mich aber gefreut. Als der auch noch pünktlich in Köln Hbf ankommt und ich den ebenfalls pünktlichen (!) Anschluss nach Düsseldorf erreichte. Ja, Bahnfahren kann so schön sein. Das war kein Traum, ich habe es selbst erlebt und erzähle es seitdem allen und darunter vielen, die es gar nicht hören wollen. Weil sie nicht mehr mit der Bahn fahren.

Überholungen

Aber es gibt natürlich auch andere Erlebnisse mit der Bahn. Zum Beispiel habe ich es öfter erlebt, dass eine Regionalbahn irgendwo in der Landschaft stehenbleibt, weil es eine Überholung gibt. Es kommt aber kein Zug. Da dachte ich mir, die Deutsche Bahn bremst vielleicht auf diese Weise ihre wesentlich pünktlichere Konkurrenz – etwa Züge des National Express aus, damit der auch Verspätung bekommt, und die Gesamtbilanz für die DB besser ausschaut. Das wollte ich doch mal genau wissen und habe nachgefragt. Meine Frage: „Kommt es vor, dass die für den Netzbetrieb zuständige DB-Gesellschaft Züge der Konkurrenten im wahrsten Sinne des Wortes ‘ausbremst’?” beantwortete die National Express Rail GmbH in Köln: “Eine Bevorzugung von anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen können wir nicht erkennen. Überholungen sind in den Dispositionsregeln ‘Richtlinie zur Zusammenarbeit mit Eisenbahnverkehrsunternehmen’ der DB Netz geregelt. Danach handeln die Zugdisponenten der DB Netz AG. Der Fernverkehr hat Vorrang vor allen Zügen. Gerade zwischen Köln und Bonn ist die Strecke überlastet. Unserer Erfahrung nach kommt es häufig vor, dass in Hürth oder Bonn-Mehlem Güterzüge vorbeigelassen werden müssen. Dies hat bereits öfter zu Diskussionen mit der DB Netz AG geführt.“ Da bleiben wir dran und werden weiter nachfragen.

EU bevorzugt Gütertransport

Ich hatte gehört, dass die Bevorzugung von Gütertransport vor Personentransport auf Vorgaben der EU zurück geht. Das wurde mir vom Bundesverkehrsministerium bestätigt. Wörtlich heißt es in der Antwort der Pressestelle:
„Das Verfahren der Zuweisung von Schienenwegkapazitäten wird durch das Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG) in Umsetzung europäischen Rechts und darüber hinaus durch unmittelbar geltendes europäisches Recht geregelt. Einen uneingeschränkten Vorrang einer Verkehrsart gibt es dabei nicht. Es bestehen im deutschen Recht verschiedene Ausnahmen, z.B. bei überlasteten Schienenwegen. Die Bundesnetzagentur überwacht die Einhaltung des Eisenbahnregulierungsrechts.“

Nicht überholende Geisterzüge

Wo ich schon mal dabei war, habe ich mich beim National Express auch nach den „Geisterzügen“ erkundigt. Ich meine das Phänomen der angekündigten Überholungen, die zu Verspätungen führen, ohne das tatsächlich ein Zug zu sehen ist. Die Antwort: „Es kommt vor, dass eine Überholung von DB Netz eingeplant wurde, diese aber aus verschiedenen Gründen entfällt. Dazu ein Beispiel: Die Linie RB 48 geht in Sechtem in die Überholung für den Fernverkehr. Der Fernverkehrszug steht bei der Entscheidung allerdings noch in Bonn Hbf. In Bonn gibt es Verzögerungen bei der Abfertigung des Zuges. Dies hat teilweise zur Folge, dass die Züge der National Express doch nicht überholt werden müssen.“

Warum S Bahnen nicht warten

Eine sonntägliche Reise nach Essen-Kupferdreh entwickelte sich Anfang Juli wieder einmal zu einem kleinen Abenteuer und ließ mich nochmals selbstkritisch fragen, warum ich eigentlich immer noch Bahn fahre? Schon die Straßenbahn zum Bahnhof kam zu spät. Machte aber nichts weiter, weil mein eingeplanter Zug kam erst mal gar nicht. Oberleitungsschaden – zwischen Köln-Mülheim und Opladen. Nichts fuhr in Richtung Wuppertal. Also improvisieren – gut dass ich, bei Reisen über die Stadtgrenze von Bonn hinaus, und wenn ich wirklich pünktlich am Zielort eintreffen möchte, mittlerweile einen Zeitpuffer von gut einer Stunde einplane. Den brauchte ich auch – und schaffte es mit einer sehr spontanen und etwas aufwendigen Fahr- und Umsteig-Tour fast pünktlich anzukommen. Die S-Bahn nach Essen Kupferdreh fuhr trotzdem ohne mich, weil sie nicht mal vier Minuten auf den Zug aus Köln warten darf. Ich war sauer wegen meiner nun halbstündigen Verspätung – mein einstündiger Zeitpuffer war schon aufgebraucht. Warum die S9 nicht wartete, erklärte mir Dirk Pohlmann, Pressesprecher NRW, Deutsche Bahn AG Regionalbüro Düsseldorf (GNK 1(D)) übrigens in einer mit dem VRR abgestimmten Antwort:
„Grundsätzlich warten S-Bahnen – bis auf wenige Ausnahmen – außerhalb der Randzeiten nicht auf andere Züge. Der Grund hierfür ist, dass längeres warten auf Anschlusszüge dazu führen würde, dass andere Züge ebenfalls verspätet würden. Hierbei berücksichtigen wir die Gesamtsituation für alle Kunden. Gerade in NRW ist die Infrastruktur so stark ausgelastet, dass schon kleine Verzögerungen z.B. in Wuppertal Auswirkungen auf ganz NRW und darüber hinaus haben könnten.“

Nachwort des Herausgebers: Autor Helmut Lorscheid übermittelte mir ausserdem ein Zitat von Jan Korte MdB (Die Linke, Ex-Grüner) zum gestrigen “Sommerinterview” von Robert Habeck, das mit seinem bahnpolitischen Bezug gut unter diesen Text passt: “Die Bahn zahlt Öko-Steuer, die Fluggesellschaften nicht. Das ist kein Zufall, sondern so hat es die Regierungsmehrheit aus SPD und Grünen 1999 beschlossen. Wer Bahnfahren billiger machen möchte als Inlandsflüge, muss sie nicht nur von der Ökosteuer befreien und die Mehrwertsteuer auf Tickets senken, sondern muss den Konzern wieder verstaatlichen. Wir brauchen eine gemeinwohlorientierte Bürgerbahn statt einer profitorientierten Aktiengesellschaft.”