Dass ich die SPD unter diesem Begriff hilfsweise rubriziere, widerspricht meinen eigenen Einschätzungen. Was ein Gegenstand tatsächlich wert ist, erfahren wir Menschen in der Regel aber erst, wenn er weg ist. Da ist die SPD zumindest verdammt nah dran. Sie lässt das Stadium von Hohn und beissender Kritik derzeit hinter sich, und kommt ganz unten an: beim Mitleid.
In diesem Stadium muss eine Partei dankbar sein, wenn sie von Influencer-Stars und Satiriker*inne*n überhaupt noch erwähnt wird. Aus dieser Liga sind SPD und die sich “Die Linke” nennende Partei nun wohl schon abgestiegen-.
Albrecht von Lucke/Blätter widmet sich der SPD noch mal, es liest sich fast schon wie eine Grabesrede, immerhin eines Trauernden. Ein sachdienlicher Hinweis von ihm ist, dass die CDU in der ihr eigenen konservativen Langsamkeit grössere Teile dieses Kreuzweges der Volksparteien noch vor sich hat. Nur wenige dort ahnen es schon.
Horst Kahrs/RLS liefert wie immer montags nach einem Wahlsonntag eine ausgefeilte Wahlanalyse, seit Jahren montags das Beste, was ich dazu auf dem Medienmarkt finde. Früher hat er diese Analysen gemeinsam verfasst mit Benjamin Hoff, dem früheren Jungdemokraten- und heutigen Staatskanzleichef Thüringens, der seinen Landtagswahltermin in acht Wochen hat. Seit die beiden ihre Intelligenz in diesen Gegenstand investieren, habe ich den beständigen Eindruck, dass selbst ihre eigene Partei ihre Erkenntnisse nicht liest.
Es sind nicht böse Feinde oder Medien, die diese Parteien zerstören. Sie sind es selbst. Das ist bitter. Und wartet auf eine analytische Bearbeitung. Es ist kein Sonderfall dieser Parteien, und auch nicht unseres Landes. Es muss also überwölbende Systemgründe geben. Ist es gar nicht mehr wert erforscht zu werden?
Für die kommende Partei Die Grünen, langsamer kommend als erwartet, aber mit einer zeitgemässen und dringlichen Botschaft, wären daraus wichtige Lehren zu ziehen. Sie sollte und könnte zahlreiche Fehler der Ablebenden vermeiden – wenn sie sie früh genug erkennt.
Update abends: zum gestrigen TV-Wahlabend, vor dem ich mich selbst verschont habe, empfehle ich diesen Kommentar von Matthias Dell/DLF.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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