Das ZDF liefert Höcke und der AfD Munition
Das ZDF wollte den rechtsradikalen AfD-Politiker Höcke interviewen. Dieses Vorhaben missriet kläglich, aus drei Gründen. Erstens, weil der Interviewer unablässig auf der bekannten Tatsache herumritt, dass Höcke Nazi-Jargon benutzt. Zweitens, weil der Interviewer das Interview zum Streitgespräch zwischen sich und Höcke machte. Drittens, weil beide ein Einsehen hatten und das Gespräch abbrachen. Man kann nur sagen: Gott sei Dank.
Reichlich naiv
Mit dem Abbruch des Interviewversuchs geriet das ZDF in Erklärungsnot. Es lag nahe, dass Höcke und seine Anhänger das Interview nutzen könnten um den Sender zu attackieren. Um solchen Angriffen nicht schutzlos ausgesetzt zu sein, war der Sender praktisch gezwungen, in die Offensive zu gehen und das missratene Interviewprodukt gegen Höckes Willen zu veröffentlichen.
Zugute kam dem ZDF, dass Höcke am Ende des Interviews etwas kryptisch dem Sender und/oder dem Interviewer drohte. Diese Aktion beschäftigte naturgemäß die Medien und die Gegner und Konkurrenten der AfD. Die Drohung drängte das trübe Ergebnis der ZDF-Operation „Höcke-Interview“ in den Hintergrund. Ihr Fazit: Die Zuschauer guckten ratlos in die Röhre. Der Sender verschafft Höcke die Chance, sich als Verfolgter der „Lügenpresse“ zu inszenieren. Schlimmer geht es kaum.
Dass man Höcke mit allen Facetten seiner Entgleisungen konfrontieren muss, versteht sich von selbst. Doch zu glauben, man könne ihn dazu bringen, sich zur Nazidiktion zu bekennen oder sich für sie zu entschuldigen und ihr abzuschwören, ist reichlich naiv.
Kein Erkenntnisgewinn
Jedes Interview wird auch mit der Absicht geführt, eine Schlagzeile zu produzieren. Auf welche sollte das Höcke-Interview hinausgehen? Parteifreunde distanzieren sich von Höcke? Oder: Höcke schwört Hitler ab? Oder: Höcke bekennt sich zu Hitler? Oder: Höcke schämt sich und will die AfD verlassen? Oder: Schamloser Höcke will in der AfD bleiben?
Wer hätte dem ZDF eine solche Eselei wie dieses Interview zugetraut? Der Sender bot Höcke die billige Chance, seine Ausfälle zehn Minuten lang zu verharmlosen. Dabei hätten zwei, drei kurze Fragen zu diesem Thema durchaus gereicht. Dem Interviewer leider nicht. Er biss sich fest. Erkenntnisgewinn für die Zuschauer: keiner.
Ihnen bleibt verborgen, welche Absichten Höcke in der Landes- und Bundespolitik verfolgt. Von Beginn an machte der Interviewer klar, dass es ihm vorrangig darum ging, Höcke vorzuführen.
Wie ein Verhör
Das Interview fußt auf der Behauptung, Höckes und Hitlers Diktion seien zum Verwechseln ähnlich. Als Beleg für diese These bemühte das ZDF minutenlang Stellungnahmen von AfD-Politikern.
Sie sollten als Kronzeugen gegen Höcke dienen. Eine seltsame Methode, mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Es ähnelte eher einem Verhör als einem Interview. Der Interviewer machte keinen Hehl daraus, dass er Höcke nicht befragen, sondern überführen wollte.
Der Politiker ist Landeschef der AfD in Thüringen und dort bei der anstehenden Landtagswahl ihr Spitzenkandidat. Die nahe liegende Frage, welche Pläne er in der Landes- und Bundespolitik verfolge, interessierte das ZDF nicht.
Den Interviewten niederringen
Wäre der Sender mit den anderen Spitzenkandidaten in Thüringen, also mit Ramelow (Die Linke), Mohring (CDU), Tiefensee (SPD), Kemmerich (FDP), Siegesmund und Adams (Die Grünen), ähnlich umgegangen wie mit Höcke?
Hätten sich andere Spitzenkandidaten eine solche Behandlung gefallen lassen? Hätte der Sender auch ihre Interviewfragmente gegen den Willen der Interviewten ins Netz gestellt? Würde er mit Merkel, Scholz, Lindner und Habeck ähnlich wie mit Höcke verfahren?
Die meisten Politiker ersticken den Versuch, sie vorzuführen, schon im Ansatz. Höcke ließ dem Interviewer Zeit, sich zu entfalten, und legte sich erst quer, als nicht mehr zu übersehen war, dass ihn der Interviewer niederringen und besiegen wollte.
Kostenlose Wahlkampfwerbung
Ein Glanzlicht des Journalismus? Wohl kaum. Der Sender bot Höckes Anhängern nur einen weiteren Anlass zum Jubeln. Sie werden sich in ihrer Haltung zur „Lügenpresse“ bestätigt fühlen. Wie viele unschlüssige Thüringer wird das Interview des West-Senders ZDF wohl bewegen, nun erst recht die AfD zu wählen?
Das Interviewfragment und der Kampfjournalismus, der es hervorbrachte, verschaffen der AfD und Höcke bundesweite Resonanz. Eine kostenlose Wahlkampfwerbung auf Kosten der Gebührenzahler.
Ein sachliches Interview, das den Zuschauern überlassen hätte, sich ihre Meinung über Höcke und seine Politik selbst zu bilden, wäre über Thüringen und die AfD hinaus wohl kaum beachtet worden und sicher längst vergessen.
Sich selbst zum Thema gemacht
Die ZDF-Politikabteilung hält sich oft Qualitätsjournalismus zugute. Im Fall Höcke glaubten der Interviewer und die Sendeanstalt aber offenbar, es sei ihre Sendung, die Zuschauer, diese hilflosen Wesen, gegen die AfD zu immunisieren und ihnen die Augen und den Verstand für die richtige Sicht auf die Partei zu öffnen.
Seit einem halben Jahrzehnt gibt es die AfD nun schon. Doch mit all dem heißherzigen Eifer, diese Partei niederzumachen, treiben deren Gegner der AfD immer noch Wähler zu. Die Partei nimmt diese Gabe gern in Empfang und zeigt sich selbstverständlich undankbar.
Der Eklat dürfte die Vorbehalte verstärken, die in der Bevölkerung gegen die öffentlich-rechtlichen Sendern kursieren. Mit dem Höcke-Interview machten der Interviewer und das ZDF weniger Höcke und die AfD als sich selbst zum Thema. Der Sender erwies sich einen Bärendienst.
Links verortete Zuschauer bedient
Höckes Anhänger haben sich seit Langem auch auf das ZDF eingeschossen. Der Sender hat ihnen nun weitere Munition geliefert. Was bleibt den Gegnern der AfD unter diesen Umständen anderes übrig, als sich mit dem ZDF zu solidarisieren?
Mit Kritik am Sender könnte sich mancher von ihnen schnell den Vorwurf zuziehen, die AfD zu stützen. Und so wird mancher seine Kritik am ZDF eher laut schweigend äußern. Auch das ein absurdes Ergebnis dieses absurden Interviewversuchs.
Er bestätigt eine aktuelle Studie der Uni Oxford über die Nutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Untersuchung ist zu entnehmen, dass ARD und ZDF mehrheitlich jene Zuschauer bedienen, die sich links von der Mitte ansiedeln. Der britische Rundfunk BBC bespielt dagegen ein viel breiteres Spektrum. Eine Hälfte seiner Zuschauer sieht sich links von der Mitte, die andere rechts von ihr.
Bei der BBC gewonnene Einsicht
Ein Gutes hat der gescheiterte ZDF-Interviewversuch aber doch. Er kann als Beispiel dafür dienen, wie man es nicht machen sollte. Er eignet sich gut für Journalistenschulen und die Schulungsseminare des Personals der Parteien. Für den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis dagegen eher nicht.
Dessen Namensgeber, der 1995 verstarb, riet kurz vor seinem Tod den Funk- und Fernsehjournalisten: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, daß die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören.“
Diese Einsicht habe er während seiner fünfjährigen Tätigkeit bei der BBC in London gewonnen, erzählte Friedrichs. In den Grundsätzen des ZDF ist zu lesen, dass der Sender «die Vielfalt der in der Gesellschaft bestehenden Meinungen» darstellen wolle. Friedrichs arbeitete auch eine Zeit lang beim ZDF. Doch das ist schon Jahrzehnte her.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von post-von-horn.de, mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Es ist ja schon zu einem entsprechenden Hinweis verlinkt: das Friedrichs-Zitat bezieht sich nicht auf d e n Journalismus oder einzelne journalistische Beiträge, sondern in dem damaligen Interview auf seine Situation als Moderator solcher Beiträge im Studio.