Wie Nichtwähler*innen heranwachsen
Roland Appel hat inhaltlich zum Geschehen in unserer Regierung alles kommentiert. Der öffentliche Anschein ist, dass es denen nicht um das geht, um was es Roland geht: Problemlösung durch demokratisch beauftragtes Politik-Handwerk. Sondern es geht ihnen um sich. Einen ähnlichen Eindruck erweckt der grosse Bruder am anderen Atlantikufer. Nicht 1% der US-Wähler*innen wird “Ukrainegate” interessieren. Was für ein unfähiger Landesverräter der Präsident ist, wissen bereits alle, die es wissen wollen. Aber es lastet den Parteien- und den Rest des alte-Medienapparates aus. Und trägt zu beider Legitimation nichts bei. Ausser zur Mobilisierung für das “hexenverfolgte Opfer” Donald.
Das unerforschte Denken der DDR-Jugend – doch erforscht?
Ariane Riecker habe ich schon zweimal lobend erwähnt. Sie scheint eine Leistungsträgerin des im deutschen Osten residierenden MDR zu sein. Der MDR hat dienstags 22.05, vor dem DDR-Polizeiruf 110, einen interessanten Sendeplatz für Dokumentationen. Gestern ging es um eine Langzeituntersuchung über die gesellschaftliche Einstellung von 400 im Jahr 1973 geborenen DDR-Jugendlichen, beginnend 1988 und fortgesetzt über 2000 hinaus. Riecker suchte ein halbes Dutzend der Befragten persönlich zum Interview auf. Die hohe Qualität sowohl der wissenschaftlichen Untersuchung als auch des Films ist, dass in die Tiefe gegangen wurde. Es wurden nicht nur Aussagen angekreuzt, sondern auch ganz eigene, persönliche Aussagen getroffen, von mehrheitlich beeindruckenden Persönlichkeiten. “Richtige” Menschen, gegen die die Laienspielschar in der Hauptstadt besonders alt aussieht. Es dürfte auch für Ossis aufschlussreich und spannend gewesen sein, und sei es, weil sie das eine oder andere Eigene endlich mal in der Glotze wiedererkennen konnten.
Einige der Befragten bekannten sich offen zum Nichtwählen. Warum wohl?
Ein Rätsel blieb mir nur Rieckers Einsatz des Professors Gerald Hüther, der bereits Ende der 70er Jahre rübergemacht hatte. In seiner evangelisch anmutenden penetrant flüsternden Sprechweise gab er den Besserwessi, der das Publikum sporadisch belehrte, an welchen Stellen die jugendlichen Spät-Rübermacher, im Gegensatz zu ihm selbst, die Welt halt “falsch” verstehen. Das war verschenkte Sendezeit, die besser für längere Passagen der Ex-Jugendlichen eingesetzt worden wäre. Oder war das Bedingung, um den Film beim MDR redaktionell abgenommen zu kriegen?
Dass Hüthers Wikipedia-Eintrag partiell von Big Pharma gekapert worden zu sein scheint, macht ihn mir zwar gefühlt sympathischer (in der Sache kenne ich diese Kontroverse nicht), aber ändert nichts daran, dass er in dieser spannenden Doku deplatziert war.
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