Ein Münchner in Berlin, das allein muss schon depressiv machen. Andreas Rüttenauer/taz ist von haus aus eigentlich Sportredakteur. Anlässlich eines merkwürdigen Denkmalsaktivismusses in seiner alten Heimat und der “Neuerscheinung” im Geschenkschuber seiner alten G’schichten beschäftigt er sich mit dem Werk Helmut Dietls (und seiner Clique), und damit zwangsläufig der Entwicklung dieser Stadt. Im Grossen und Ganzen teile ich Rüttenauers Sicht. Nur einige wichtige Eckchen bleiben unbeleuchtet.
Zum Einen ist es die Mediengeschichte, die bei Dietl berufsbedingt immer eine wichtige Rolle gespielt hat. Sein sechsteiliges Meisterwerk “Kir Royal”, das gegenwärtig vom ARD-Sender “ONE” wiederholt wird, ist leicht erkennbar in der Münchener Abendzeitung angesiedelt. Das war seinerzeit die bundesweit einzige lesbare Boulevardzeitung. Die von Ruth-Maria Kubitschek sensationell perfekt gespielte Verlegerin ist kaum verfremdet Anneliese Friedmann, deren Familie als einzige beim Verkauf der Süddeutschen an die Schwaben von SWMH ihre Anteile behalten hat. Ich wünschte mir einen Dietl der Gegenwart, der sich traut die turbulente aktuelle Entwicklung dieser und der neuen Medien mit ähnlich scharfem Blick und wenigstens halb so viel Frechheit zu betrachten.
Mit diesem Beispiel ist ausserdem eine der starken Frauenrollen bereits benannt. Die Andere neben Kubitschek war (und ist!) Senta Berger, der wir in Kir Royal beim Frau- und Starwerden zusehen konnten. In den 60ern war sie als nettes, hübsches Mädchen besetzt worden, wie all ihre Geschlechtsgenossinnen in dieser Stadt. In den 70er und 80ern habe ich über die Adresskartei des Friedenskomitees, bei dem ich arbeitete, bereits wahrgenommen, dass diese Berger persönlich eine engagierte, politische Aktivistin war. Bei Dietl hat sie dem Alltags-Feminismus im Bürgertum jener Zeit ein schönes erfolgversprechendes Gesicht gegeben. Ja, es war halt so, dass Dietl “die Frauen” geliebt hat, so ambivalent und unbeholfen es auch gewesen sein mag.
Das München von heute böte weiteren unbegrenzten Stoff. Fußballökonomie interessierte Helmut Dietl wahrscheinlich nicht besonders. Vielleicht hat er auch selbst, “wie alle”, am angeblichen Volkssport Steuerhinterziehung teilgenommen. So hat er interessenbedingt weggelassen, was sich damals schon an den Tischen der von ihm besuchten Edelrestaurants abspielte.
Die Macht des Fußballkonzerns in dieser Stadt reicht mittlerweile weit über Bayern hinaus. Die globale Wettmafia, die ähnlich wie opioidherstellende Pharmakonzerne suchtkranke Menschenmassen hemmungslos ausnimmt, damit Extraprofite realisiert, wie sie halt nur verbrecherisch möglich sind, sie hat jetzt eine Puppe ganz oben in diesem Konzern platziert. Und der gesamte deutsche Journalismus wirft sich davor in den Staub, dass es alle demokratischen Brandmelder ohrenbetäubend auslöst (ausser in den Medien selbst). Herrjeh Dietl, was hättest Du daraus gemacht?
Kolonialverbrechen – Geschichte zum Nachsitzen
Immerhin hat ARTE gestern einen blinden Fleck des (deutschen) Geschichtsunterrichts ausgeleuchtet. Wenn gerade mal wieder “nichts im Fernsehen” ist, schauen Sie sich das an (bis 6.3.). Ist nicht schön. Macht aber auch nicht dümmer.
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