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Realo Habeck – im Zentrum der Macht

Der ZDF-Reporterin, die ihm in Davos ihr Aufnahmegerät hingehalten hat – ich konnte nicht herausfinden, wer es war – hat bei Robert Habeck schwer was gut. Er ist nicht nur nach Davos gereist, sondern konnte sich dort im Zentrum des globalen Medienzirkus minutengenau an der Spitze aller Trump-Kritiker*innen positionieren. Für einen deutschen Politiker ist das der Jackpot – über 90% stehen hinter ihm. Für die CDU ist das eine Demütigung. Aber was wird aus Habeck?
Die Kanzlerin plädierte noch rollengerecht, dass “alle” miteinander reden können müssten. Und versäumte nicht, Trump ohne Namensnennung zutreffend als “Klimawandelleugner” zu bezeichnen. Wie immer schlecht beraten tappte dagegen Annegret Kramp-Karrenbauer, sekundiert von der FAZ, arschbombenartig in die von Habeck aufgestellte Falle der Trump-Verteidigung. Sektiererischer, von der Hauptstadtberliner Atlantiker-Dunstglocke benebelt, geht es kaum.
Die Basis der Grünen ist – noch – eher bei denen zu finden, die in Davos und anderswo Gegendemonstrationen organisieren und den real existierenden globalen Kapitalismus wegen seiner Ausbeutung von Mensch und Natur fundamental kritisieren. Habeck dagegen erobert die Rolle als Verteidiger der Welt, wie wir sie bisher kennen, gegen ihre extremistischen. kapitalistisch-radikalen Zerstörer. Er verteidigt Davos gegen Trump. Und stiehlt der CDU die deutsche Hauptrolle als Verteidigerin des deutschen Bürgertums, Gross- und Klein-Bürgertum. Ein Geniestreich?
Was die Positionierung vor dem nächsten Bundestagswahlkampf betrifft: Ja. Die Probleme Habecks und anderer Grüner beginnen erst nach der Wahl.
Zur Erinnerung: 1998 gewannen SPD und Grüne, in einer klaren Rollenverteilung zwischen Koch und Kellner – die Grünen gingen durch Stimmenverluste geschwächt in die Koalition. Sie hatten ja sooo lange aufs Regieren gewartet. Die neue Bundesregierung wurde international sofort domestiziert, indem sie in einen völkerrechtswidrigen Krieg im sich auflösenden Jugoslawien gezogen wurde, bzw. mit widerwärtiger Auschwitz-Rhetorik (Joseph Fischer) freiwillig zog. Innenpolitisch folgten die “Hartz-IV”-Reformen, ein neoliberaler Umbau der deutschen Ökonomie, wie ihn CDU & FDP nie gewagt hatten. Das hat die SPD erledigt, die Grünen überlebten, weil ihre zentrale Agenda – bis auf den langsamen Atomausstieg – unbearbeitet liegen geblieben war. Und jetzt klare Nummer 1 der Tagesordnung ist.
Wie werden sie als Regierende damit umgehen? Werden sie zu der notwendigen Radikalität in der Lage sein? Oder trauen sie sich wieder nicht? Werden sie gegenüber der Klimabewegung druckempfindlich bleiben? Oder sie in “Realos” und “Fundis” spalten, sich so von ihr emanzipieren? Und zu der neuen Partei des saturierten deutschen Bürgertums werden?
Ich bin nicht für Determinismus. Es wird nicht zwangsläufig so oder so kommen. Das ist undialektisches, anstrengungsfreies Denken. Es ist gesellschaftlich beeinflussbar. Schwierig, aber möglich.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Helmut Lorscheid

    ich gehe davon aus, dass sich Harbeck bis zur nächsten Bundestagswahl erledigt hat. Der hat sich bis dahin so angebiedert, dass er schon verbraucht ist, bevor er überhaupt zum regieren kommt.

  2. Roland Appel

    Ich habe heute abend die Berichte über die EU-Flüchtlingspolitik der Innenminister gesehen. Das Statement des Österreichischen Innenministers war auf AfD-Niveau: “Würde man Flüchtlinge nach Europa lassen, würde man den Schleppern ihr Geschäft betreiben.” oder so. Ein rassistisches, brutales, herzloses Arschloch – in Power dank der Koalition des “Führer light” mit den Grünen. Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte. Wenn et bedde sich lohne dät, würd ich bedde, dat et den Grünen in Deutschland nicht ebenso geht. Grüne in Macht neigen dazu, im Bezug auf Bürgerrechte und Innenpolitik verantwortungslos zu sein. Siehe die Sprerrung der Hessischen Verfassungsschutzakten über den VS-Mitarbeiter im Nebenzimmer der NSU-Morde für 125 Jahre.

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