Das deutsche Hauptstadtproblem wird bis heute, vor allem von den was-mit-Medien-Leuten nicht verstanden. Sie ersetzen, ebenso die Berliner*innen selbst, die Wirklichkeit der Stadt durch eine Projektion. Die Wirklichkeit ist eine hochkonzentrierte Ballung der sozialen Probleme dieses Landes auf engstem Raum, von manchen gerne “Labor” genannt, platziert am Ostrand des Landes, und ausser dem bisschen Speckgürtel in Potsdam, Oranienburg und Königswusterhausen dann hunderte Kilometer nichts drumrum, ausser ehemaligen LPG-Äckern (und ein paar Häusern mit wenigen Menschen drin), jedenfalls keinerlei Anlass für einen Fernzug bis Hannover irgendwo zu halten. In dieses Loch von einem Missverständnis ist jetzt der Kalifornier Jürgen Klinsmann gefallen.
Der für die Süddeutsche arbeitende Rheinländer Philipp Selldorf, also ein praktizierender Multikultureller, behauptet heute, “seit vielen Jahren” leide der Fußballverein Hertha BSC, bei dem Klinsmann jetzt demissioniert hat, “daran, von der Ausstrahlung und Anziehungskraft der Stadt nichts abzubekommen.” Komplett falsch. In Wirklichkeit ist Hertha BSC ein getreues, repräsentatives Abbild der Stadt – wie es der nicht fertige Flughafen, der demokratisch gewählte Senat (unter SPD-Führung, das muss mann/frau sich mal vorstellen!) und die die Stadt ökonomisch beherrschende mafiöse globalisierte Immobilienwirtschaft sind.
Selldorf hat länger für den Kölner Stadt-Anzeiger gearbeitet. Da hat er sich an eine ganz andere Metropole sozialisiert. Köln hat die in der Nähe drohende Konkurrenz von Düsseldorf, Aachen, und besonders Mönchengladbach ;-)) und das grosse Ruhrgebiet, immer im Augenwinkel; und liess sich seine marode Sparkasse vom benachbarten Bonn retten.
Beim allzu schwäbischen Kalifornier Klinsmann frage ich mich, wofür der eigentlich einen “Berater” hat, übrigens denselben wie Hans-Joachim Löw. So lächerlich steht er jetzt in der Öffentlichkeit da. Auf ein Windei wie diesen Windhorst hereinzufallen, sich wieder mit Bild als Verlautbarungsorgan zu verbrüdern, um sich am Ende ausgerechnet von dem unreifen polygamieabhängigen Matthäuslothar öffentlich abwatschen lassen. Geht es peinlicher? Der junge Klinsmann schien mir klüger als der von heute. Probleme mit dem Altwerden? Oder braucht er das Geld?
Steffen Grimberg/taz, einer der klügeren und reiferen was-mit-Medien-Leute, der der MDR-Intendantin geholfen hat, reifer und professioneller dazustehen als die intellektuell überforderten Alphaintendanten in den grossen Bundesländern, liegt so falsch wie o.g. Selldorf, wenn er die Formulierung des Deutschen Journalistenverbandes von der “einstmals renommierten” Berliner Zeitung beklagt. Welche Zeitung wird denn von den Berliner*innen überhaupt noch gelesen? Auch die taz wird bald ihre Printausgabe einstellen, weil sie immerhin – ein Alleinstellungsmerkmal in der Stadt der Hauptstadttoiletten – der Wirklichkeit ins Gesicht zu blicken wagt. Die Mehrheit der Lesenden, sie lebt hier, im Westen. Aber woher sollt Ihr das wissen?
Kinderarmut bleibt
Wo wir gerade beim Ausblenden der Wirklichkeit sind, liegt nichts näher als das Thema Kinderarmut. Annelie Buntenbach, die leider, aber verdient, demnächst auch in den Ruhestand wechseln wird, eine der standhaftesten und gleichzeitig menschlich anständigsten Politikerinnen, die ich persönlich kennen gelernt habe, machte soeben darauf aufmerksam. Ich weiss nicht, wen das in Berlin interessiert. Sie würden es sehen, wenn sie auf die Strasse und in ihre Schulen gingen. Aber die haben da ja Tunnels und Glasbrücken zwischen ihren Büros; die müssen die Strasse gar nicht mehr betreten. Und so sehen ihre Arbeitsergebnisse dann ja auch aus.
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