Gerne lästere ich über Zeitungen mit solchen Überschriften: haben die keine neuen Nachrichten mehr? Auch wenn es hier nicht um Fußball gehen soll: Barcelona ist ein Hotspot, und bereits gequältes Opfer des Overtourism. Bonn ist dagegen ein idyllisches Städtchen am lieblichen Mittelrhein. Doch gerade wegen dieser Übersichtlichkeit, ist in diesem Fall der Bonner Rückstand unverständlich: Bürger*innen*beteiligung.
Unter dem vormaligen SPD-OB Jürgen Nimptsch, der in anderen Bereichen bedeutende Fehler machte, arbeitete im Bonner Rathaus eine kompetente Abteilung für mehr Bürger*innen*beteiligung, mit Unterstützung der damaligen schwarz-grünen Ratsmehrheit. Daran war ich persönlich beteiligt. Einer der ersten Schritte war die damalige Online-Plattform bonn-packts-an. Daraus ist, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt bonn-macht-mit geworden, gefällig in seiner Gestaltung aber mit sichtbar wenig Verkehr.
Der Grund dafür liegt in der Ignoranz an der Spitze, und im Kompetenzdefizit der begleitenden politischen Ebene. OB Sridharan hat seine politische Sozialisation in der Verwaltung genossen. Dort herrscht bis heute die Einstellung vor, dass die Beteiligung von Bürger*inne*n an Planungs- und Verwaltungsprozessen eine Betriebsstörung ist. Während die schwarz-grünen Protagonisten 2009-2014 noch engagiert dagegen gearbeitet haben (Dieter Steffens und Helmut Joisten bei der CDU, Guido Pfeiffer bei den Grünen), ist dieser Push-Faktor bei CDU und Grünen danach komplett enteiert worden. Die Grünen-Fraktiosspitze 2014-heute z.B. wagte es jüngst noch damit zu prahlen, dass sie von “sozialen Netzwerken” nicht nur keine Ahnung habe, sondern dort auch nicht “ist” – sie sind so alt wie ich. Die Verwaltung hatte ihre Ruhe zurück, die zuständige Stabsstelle sass plötzlich wieder politisch isoliert in ihren Rathaus-Kämmerchen.
OB Sridharan hat anders als seine SPD-Vorvorgängerin Dieckmann, von der noch ihr Nachfolgegenosse Nimptsch belastet und beladen war, weitgehend skandalfrei, wenn auch keineswegs pannenfrei regiert. Seine Ignoranz gegenüber einer modernen Weiterentwicklung von Bürger*innen*beteiligung blieb unterhalb öffentlicher Wahrnehmungsschwellen, wird sich aber als schwerer strategischer Fehler erweisen. Bei den Bonner Bädern war es ihm bereits auf die Füsse gefallen. Würde er wiedergewählt, würde sich diese Pannenserie auf weit spektakulärere Weise verlängern. Das stark bildungsbürgerlich geprägte Bonn hungert geradezu danach ernstgenommen zu werden. Die politische Kunst wäre es, das in zivilgesellschaftlich-konstruktive Bahnen zu moderieren – also das, was die meisten deutschen Kommunalpolitiker*innen und -Verwaltungen heillos überfordert. Seine Grünen-Kontrahentin Katja Dörner wird zeigen müssen, ob und wieviel mehr sie hier drauf hat.
Von Barcelona lernen heisst siegen lernen: Bericht von Julia Macher/DLF und hier die Plattform decidim.org, und hier die dazugehörige Bürgermeisterin Ada Colau. In dieser Stadt gab es bisher die grössten Massendemonstrationen für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen.
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