Ausnahmezustand mglw. rechtswidrig
Vor Wochen schon ahnte ich, dass das fiese Virus für die CDU arbeitet. Dafür bin ich alt genug, das gelernt zu haben. Alle Demoskop*inn*en geben mir Recht. Wer über den Ausnahmezustand bestimmt, ist halt im Vorteil, vor allem wenn ihm im Normalzustand Abwahl droht. Wäre nicht das erste Mal. Aber das ist natürlich eine “Verschwörungstheorie”. Entscheiden Sie selbst, wie sehr Sie daran glauben. Im Folgenden versuche ich mich wieder mit Fakten zu befassen.
In LeMonde diplomatique fand ich erneut Aufklärerisches über Viren und Virenpolitik. Menschliche Politik fördert Virenausbreitung und -übertragung, könnte es auch vermeiden. Voraussetzung: ein besseres, klügeres Verständnis von Ökologie-Politik.
Taz-Kommentator Aladin El-Maafalani hofft auf eine Komplettüberprüfung politischer Massstäbe und Prioriäten, eine Hoffnung, die ich gerne teile, schon allein, weil es mir dann direkt besser geht. Der Autor arbeitet in einem wissenschaftlichen Nest der Uni Osnabrück, von wo ich seine Kollegin Helen Schwenken als ehemalige NRW-Landesvorsitzende der Jungdemokrat*inn*en kenne und hochschätze.
Sollte der brasilianische Faschist Bolsonaro über das Virus stürzen? Wäre es das allein schon wert gewesen? Immerhin beherrscht er derzeit das “Herz der Welt”, oder die grösste Waschmaschine des Weltklimas, und droht sie rücksichtslos zu zertrümmern. Und wenn Donald Trump noch dazukäme, spätestens dann wäre ich zu den gegenwärtigen Opfern voll bereit gewesen. Doch wer versichert mir das?
“Aufdrängend erwähnenswert”
Die Abwägung, was wieviel Ausnahmezustand kostet, hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) für sich millionengenau berechnet. “Gehen Sie davon aus”, würde Hans Meyer jetzt sagen, dass auch andernorts solche Berechnungen angestellt werden.
Nicht eingerechnet sind dabei die “politischen Kosten” der gesellschaftlichen (Um-)Erziehung, die mit oder ohne politische Steuerung derzeit real abläuft, für die sich die DFL aus kostenmindernden Motiven bereitwillig bewirbt (die Gespenster-Spiele zum “Brot und Spiele”), und an der nicht alles schlecht sein muss (s.o. Maafalani).
Noch klarere Tatsache scheint zu sein, dass das, was Bundes- und Landesregierungen derzeit anstellen, überwiegend rechtswidrig ist. Diese Meinung vertritt die Juristin Jessica Hamed im FR-Interview. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht – mich überzeugt die Dame. Mehr zu dieser Debatte finden Sie z.B. beim Verfassungsblog.
Ein Wort (und Dank) an die Extradienst-Leser+innen
Frau Hamed sagt im o.g. FR-Interview: “Die Kontrolle über das Virus zu erlangen, bedeutet meines Erachtens auch, wieder Kontrolle über unsere Gedanken und unser Wertesystem zu erlangen.” Schöner formuliert, als es mir eingefallen wäre. Mich erreicht z.Z. sehr viel Zuspruch von langjährigen und neuen Leser*inne*n, weil sie das, was Frau Hamed formuliert, in der veröffentlichten Meinung vermissen, und sich oftmals auch im eigenen Familien- und Bekanntenkreis damit “allein” fühlen. Sie sind es nicht! Es gibt eine Öffentlichkeit jenseits eingefahrener alter Kanäle, schon lange. Sie müssen sie nur auch nutzen und auch selbst bespielen. Die Extradienst-Zugriffszahlen haben sich, wie bei allen digitalen Inhalten, in der Krise mehr als verdoppelt. Ich hindere auch niemanden von Ihnen, in asozialen Konzernnetzwerken darauf hinzuweisen; ich gehe nur selbst nicht dorthin, weil ich so ungern eingesperrt bin 😉 Und hier, an dieser Stelle, habe ich das Hausrecht. Sie dürfen gerne eintreten, und eigene Meinungen äussern.
Und hier noch eine kleine Belohnung
für alle, die bis hierher gelesen haben. Die ARD versteckt derzeit in ihrem TV-Kanal “One” die Serie “Hackerville”. Mitproduziert von HBO Europe. HBO, das waren die, die die Sopranos produziert haben, eine grandiose Serie, die grandioseste Entzauberung der Mafia, die das TV dieser Welt umgekrempelt hat, und die das ZDF geschafft hat, erfolglos zu versenken. Von Deutschland hat sich der HBO-Konzern ferngehalten, zu geringe Profitaussichten wg. zu guten TVs. Sie lachen, aber die haben das ernst gemeint. HBO Europe konzentriert sich auf den Balkan, und Hackerville profitiert von der Rumänien-Kenntnis von HBO. Wir Deutsche interessieren uns ja nicht für arme Länder, und bekommen das also von den “profitgierigen Amerikanern” dargereicht. “Nix is so schlääch, dadetnich für irjnwat jootes” (Jürgen Becker).

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net