Je teurer, umso unrentabler?
Der DLF wiederholte gestern ein WDR-Feature von Maike von Galen (geb. Jansen in Bonn): “Die Rechnung bitte! – Ein Blick in die deutschen Sterneküchen”. Produziert 2019, also Präcorona. Schon ohne Coronakrise mussten Gastronom*inn*en, Köch*inn*e*n, Sommeliers, Servicekräfte (positiv) bekloppt sein, wenn sie in dieser Branche ihren Lebensunterhalt bestreiten wollten. Die Coronakrise wird die ökonomische Auslese der betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter beschleunigen und brutalisieren.
Wer kann überleben? Wie in der kapitalistischen Gesellschaft wird der soziale Spagat weitergedreht. Systemgastronomien, Franscheiss, werden nicht sterben, im Gegenteil. Zwar gibt es dort auch Unternehmen, denen von ihren Investor*inn*en das Kapitalblut ausgesaugt wird, und die dann auf den Insolvenz-Müllberg geschmissen werden – selbstverständlich immer zu Lasten ihrer mehrheitlich prekär Beschäftigten, die ein wahrhaftiges Proletariat bilden. Ansonsten wird schlicht nach Marktbedarf kalkuliert und rationalisiert. Was wir dort essen, ist Nebensache. Rentabel muss es sein. Da die grossen Ketten Standorte anmieten, egal, was die Miete kostet, weil sie unbedingt den Standort sichern wollen, müssen sie halt woanders sparen: am Personal, und am Wareneinsatz, beides das, was uns Kund*inn*en zugute käme.
Auf der andern Seite retten sich – hoffentlich – nicht wenige Kleinbetriebe, die auf der Seite der Miete (freundliches Arrangement mit freundlichen Vermieter*inne*n) und des Personals (familiäre Selbstausbeutung) noch Improvisationsspielraum haben. In Beuel also z.B. das Bistro Odeon (im Momo), das zugleich Untermieter, Betriebskantine und Grosskunde ist, und wo derzeit die Pächter*innen selbst arbeiten, oder das l’Olivo, dessen Vermieter zu meinen Nachbarn gehört, und als Familienbetrieb den Aufwand so rauf und runterfahren kann, wie es die Kund*inn*en-Nachfrage erfordert.
Das, was Maike von Galen aus der Spitzengastronomie beschreibt, mit exotischstem Wareneinsatz aus allen Regionen der Welt, der in Paris eingekauft und abgeholt werden muss, funktioniert so natürlich nicht. Das weiss ich schon seit vielen Jahren von Vincent Klink: seinen Lebensunterhalt bestreitet er durch TV-Auftritte; im Restaurant – immer eine Reise wert! – ist er froh, wenn er in der Bilanz die 0 erreicht.
Was aber funktionieren kann, jetzt mehr denn je, sind regionalisierte Versorgungsnetze und persönliche soziale Beziehungen in den Lieferketten und Produktionsverhältnissen. Als Kunde versuche ich nach Kräften, das mit meiner Nachfrage zu stützen. Und es nicht an schulterklopfender Solidarität und Respekt vor der irren Arbeitsleistung und augenscheinlichen Liebe zum eigenen Tun fehlen zu lassen.
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