Der geschätzte Kollege René Martens/MDR-Altpapier setzt sich mit der Polizeigläubigkeit der überwiegenden Mehrheit deutscher Billigmedien angemessen kritisch auseinander. Einerseits prägt das das Bild der Menschen von der Wirklichkeit mit, aber geringer, als die meisten was-mit-Medien-Leute glauben. Denn der Journalismus hat noch weniger Kredit beim Publikum, als er selbst glaubt. Der jüngere Teil des Publikums weiss, dass er sich ein Bild von der Wirklichkeit da draussen selbst zusammensetzen muss. Das Problem sind die (zahlreicheren!) Alten, gedanklich oder auch körperlich weniger mobilen, die sich das Bild von da draussen vor der intellektuell noch immobileren Glotze machen zu müssen glauben …
Allein heute z.B., am Dienstag, den 30.6.2020, versenden allein die öffentlich-rechtlichen Sender von ARD und ZDF (inkl. der beim alten Publikum besonders quotenstarken “Dritten”) 30 TV-Krimis, in der Regel mit mindestens einem Toten. Aufs Jahr gerechnet ergäbe das 10.950 Morde – in der Glotze. Erfasste Mordfälle durch deutsche Polizeidienststellen im Jahr 2019: 720. Diese Zahlen markieren ziemlich exakt das Verhältnis zwischen tatsächlicher und “gefühlter” Sicherheit exakt dieses Publikums. Wie absurd es qualitativ und handwerklich dabei zugeht, bei der Konstruktion von Wirklichkeit durch das Steinzeitmedium Fernsehen, das erklären in Interviews mit Manfred Riepe/Medienkorrespondenz der heutige Filmemacher*innen-Ausbilder und frühere Produzent und Regisseur Thomas Schadt und Enrico Wolf, “Stoffentwickler” und Vorsitzender eines entsprechenden Lobbyverbandes – Einblicke aus der Konstruktion gefühlter Wirklichkeiten. Der Modebegriff dafür ist “Fakenews”.

CDU – vom Gipfel gehts bergab

Wer profitiert am meisten von dieser Konstruktion von Wirklichkeit? Die Partei, die am längsten diese Republik regiert: die CDU.
Extradienst-Gastautor Günter Bannas ist in Rente. Die Aufgabe der Deutung der Irrungen und Wirrungen von Deutschlands längster, grösster und ältester Regierungspartei bei der FAZ hat Eckart Lohse übernommen. An publizistischem Mut und intellektueller Weitsicht und Unabhängigkeit, das nehme ich vorweg, kann er es mit seinem Vorgänger leider nicht aufnehmen. Aber natürlich sind die FAZ und Lohse privilegiert bei der Informationsgewinnung aus der ihnen am nächsten stehenden Partei, und darum eine aufschlussreiche Informationsquelle. Doch schnell gerät der Prellbock dabei in Sichtweite, was Lohse so beschreibt: “Aber bislang sind zum Thema Bundestagswahl in der Union nur zwei Dinge bekannt: Man weiß, wann sie ist und wer nicht antritt.”
Wenn es sich als wahr erweist, dass die vom CDU-Vorsitzkandidaten Laschet geführte NRW-Landesregierung einen von einem rassistischen Metzgermilliardär geführten mittelständischen Fußballkonzern in Gelsenkirchen mit einer viele Millionen schweren Landesbürgschaft retten will, weil die Stadt Gelsenkirchen und der russische Staatskonzern Gazprom sich in dieser Hinsicht bereits verausgabt haben, dann zeigt das, dass der gesellschaftliche Antennenempfang in der Spitze ebendieser Partei so schwer gestört ist, dass es mit ihr nur noch abwärts gehen kann.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net