Deutsche Medien und die Inszenierung der US-Faschos
Zwei von mir ausserordentlich geschätzte Medienjournalist*inn*en kommen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. Dietrich Leder/Medienkorrespondenz gibt sich bitter enttäuscht über ARD, ZDF und ihre Nebensender. Jenni Zylka/MDR-Altpapier dagegen kann auf durchwachte Nächte vor der öffentlich-rechtlichen Glotze, ähnlich wie ich, gut verzichten.
Das ZDF wird der festen Überzeugung sein, alles richtig gemacht zu haben. Es hat am Mittwoch klar “gewonnen”. Für gewonnen oder verloren steht in den Häusern die alleinseligmachende Einschaltquote sowie der Marktanteil unter allen Glotzenden. Das ZDF hatte Mittwoch dank des ganztägigen Wintersportes, der vermutlich in den zahllosen Quarantäne-Haushalten als Fototapete fungiert, knapp 19%, gefolgt von den Dritten, den Altersheimen des deutschen Fernsehens, mit 13%, und der “geschlagenen” ARD mit unter 10%. Der ZDF-“Humorkrimi” hatte eine tatortähnliche Zuschauer*innen*zahl von knapp 9 Mio.; der ARD-Spielfilm mit dem immer famosen Charly Hübner akzeptable knapp 4 Mio. Zu den anschliessenden Nachrichtenmagazinen “heute-Journal” bzw. “Tagesthemen extra” hat der Statistik zufolge niemand weggeschaltet, und vermutlich ist auch niemand zu Kühlschrank oder Klo gegangen.
Ich persönlich habe mich mit der Tagesschau bedient gefühlt, und Freunde in NYC auf deutsche Sondersendungen und den Livestream der Tagesschau hingewiesen. Und mich selbst dann der fraugewordenen Romy Schneider und ihrem damaligen Ex Aläng Delong zugewandt – exquisites französisches Thriller-Kino, aufwändig kinematografisch restauriert – und leider nicht in der Mediathek (nur die Doku über Delon und seine Verbindungen zur organisierten Kriminalität).
Jede’ Jeck is anders. Mein Mitblogger Roland Appel hat nachts vor der Glotze ausgeharrt. Ich dagegen wollte mir von den Faschos mein Corona-Leben nicht noch zusätzlich versauen lassen.
Die Gardinenpredigt des nostalgisch veranlagten Kollegen Leder sollten sich in erster Linie die Chefinnen und Chefs der öffentlichen Anstalten genau durchlesen. Denn in seinem Text ist alles versteckt, was ihre gesellschaftliche Relevanz retten könnte. Das interessiert die nur leider nicht, sondern nur s.o. Und das ist der Fehler. Hilfreich ist u.a. Leders Hinweis auf die mangelhafte Reaktion von Phönix, das von ARD und ZDF gemeinsam betrieben wird, und von beiden nicht geliebt. Die ARD kannibalisiert den Sender lieber mit dem Tagesschau24-Kanal, der aber seinerseits nur von 10-19 h arbeitet und dann den Griffel fallen lässt.
Ich bin darüber weg. Wenn die nicht liefern, fehlt mir nichts. Ich weiss, wo ich alles finde. Seit das Internet funktioniert.
Beim nachbearbeiten meines Textes fällt mir auf, dass mein Webmaster in der Kategorie “Medien” die Unterkategorie “Zeitungen” eingerichtet hat. Die sind nun wahrlich angeschmiert. Da hatten wir in diesem ohne jedes Kapital betriebenen Blog glatte 24 Stunden Vorsprung. Und ich glaube, Dümmeres als die haben wir auch nicht geschrieben.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net