Wirecard-Betrug war 2016 entschlüsselt – andere Gespenster machen unbehelligt weiter
Franziska Folter – was für ein schöner Name. Als 26-jährige Sachbearbeiterin der Bundesbank hat sie ein kritisches Analysepapier angefertigt, das bereits die wichtigsten Fragen enthielt, denen derzeit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mühselig nachgeht. Michael Maier/Berliner Zeitung berichtet über den anscheinend spektakulären Auftritt der Lady. Ich habe allerdings Fragen dazu, die er vermeidet.
Wie bescheuert Frau Folter die bösen und dummen Jungs aussehen lässt – das ist in der Tat allein schon ein hinreichender Skandal. Nachdem aber schon die Bonner BaFin publizistisch wie ein Sündenbock ans Kreuz genagelt wurde, bleibt mir die Rolle der Bundesbank als Arbeitgeberin der klugen jungen Frau, mit der sie Maier zufolge jetzt auch noch zu prahlen beliebt, unklar. Ist nicht Bundesbank-Boss Weidmann ein neoliberaler Darling aller regierenden Koalitionsparteien und Medien? Hat er, ähnlich wie die skandalgestählten Vorstandsherren der Deutschen Bank, von allem nichts gewusst, Frau Folters Analyse also nicht zu Gesicht bekommen? Und wenn doch: warum ist er nicht entsprechend vorgewarnt und vorwarnend zu seiner Bundeskanzlerin gerannt?
Meine Devise wäre: alle abwählen. Aber auf mich hört ja keine*r.
100 Jahre Nazi-Spiele
Der Kanzlerkandidatenkandidat Armin Laschet könnte kaum jämmerlicher dastehen, als er sich aktuell im Geschehen um die Olympiabewerbung selbst darstellt. Fast schon mitleiderregend. Ob Söder die bessere Lösung wäre, ist ebenfalls zweifelhaft.
Bei mir überschreitet Laschet die Grenzen zur Unzumutbarkeit dann, wenn er tatsächlich die Schmerzfreiheit besitzt, sich allen Ernstes für Olympische Spiele 2036 erneut bewerben zu wollen. Wenn einer auf diese Art Lehren der Geschichte provokativ ignorieren will, um Deutschland als weltweite Macht zu präsentieren, und der alle Aussichten haben soll, schwarz-grüner Bundeskanzler zu werden – eine Schmerzfreiheit, die der erste rot-grüne Bundeskanzler Schröder beim Skandal-“Sommermärchen” WM 2006 ebenfalls schon dokumentiert hat – dann klinke ich mich gedanklich aus dieser Republik aus. Dann kassiere ich meine Rente, sofern er die nicht abschafft, und lasse die dann noch bleibenden Reste von Demokratie ohne meine Mitwirkung sein.
Paralellwelten
Die Uefa betätigt sich aktuell als europaweiter Spreader des Coronavirus. Kapital vor Leben ist die Devise der Herren. Mitwirkende Frauen sind nicht bekannt. Daniel Theweleit/FAZ hat protokolliert, wie die Gangster den Kapitalfluss in der Zukunft anheizen wollen. Fussballfans erkennen scharf, wie sie ihres geliebten Sportphantasmas enteignet werden sollen. Leute, die sich nicht für Fussball interessieren, nehmen es als Bestätigung, was für ein Schwachsinn das ist. Das ist nur leider zu kurz gedacht. Was mit dem Kapitalfluss einhergeht, ist eine Zusammenballung von politischer Macht. Warum dürfen die das alles, was sie derzeit tun, trotz Pandemie? Weil sie Gesetzlose sind. Weil sie ernsthaft glauben, sie seien unverwundbar. Von uns, von Demokratien nicht mehr zu kontrollieren. Wer das als Fussballignorant*in laufen lässt, darf sich nicht wundern, wenn sie*er in einem despotischen Putschgeschehen wieder aufwacht. (Und natürlich wird die FAZ den Text gleich einmauern; melden Sie sich bei mir, wenn Sie mehr erfahren wollen.)
Warum so hitzig im DLF?
“Auf der Suche nach dem ‘Wir'” heisst das diesjährige Motto der Deutschlandfunk-Denkfabrik. Dort hat Wolfgang Thierse, dessen Relevanz als Politiker eindeutig mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart liegt (schon allein, weil er der SPD angehört) für eine untypisch nach aussen dringende Unruhe gesorgt. Es könnte mit der Personalstruktur des Senders zu tun haben, die in einer ähnlichen Vergangenheit lebt, wie Herr Thierse. Dankenswerterweise dokumentiert der Sender alle Texte dieser Erregung, so dass jede*r sich eine eigene Meinung bilden kann.
Thierse selbst
Widerworte zu Thierse von Anna Seibt, uijujui, eine junge Frau
Stephan Detjen haut den Genossen Thierse da raus
Literaturwissenschaftlerin Andrea Geier versuchts den Herren zu vermitteln (Keine Textfassung online, Audio 18 min)
Es wird ihr nicht gelungen sein. Wird, woran die Damen ehrenvoll scheitern, einem jüngeren Mann gelingen? Malte Göbel/taz hat es versucht.
Und wenn Ihnen aufgefallen ist, dass alle genannten Autor*inn*en weiss sind, haben sie hundert Punkte.
Noch ein Gespenst? Partei “Die Linke”
Die Vorsitzenden sind gewählt. Anna Lehmann und Pascal Beucker/taz geben einen nach meinem Eindruck gutinformierten ausführlichen Bericht über die Inhalte der digitalen Parteitagsdiskussion.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net