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Von Dylanologie zu “American Pie”

Tag der ausgehenden (???) Pandemie, Inzidenz in Bonn 78, über 50% erstgeimpft, über 15% komplett, Aussengastronomie erlaubt – aber niemand hat dem Wetter bescheidgesagt. Was bleibt also, ausser zu lesen und sich in Gedanken zu verlieren? Es gibt Vieles, was dümmer wäre, als das. Also lese sogar ich etwas über Mr. Dylan, der mir persönlich immer fremd geblieben ist. Am meisten “überzeugte” mich, wenn er sich der (Medien-)Öffentlichkeit entzog, statt sich ihr zu präsentieren oder prostituieren. Dass er das in seinen späten Jahren zum neuen Branding entwickelt hat, das hat selbst mein Interesse erweckt.
Schon als Jugendlicher stiess mich das gespreizte Pfauengehabe der weit mehrheitlich männlichen Dylanologie ab. War es der Neid, und der Versuch zu verstehen, wie der Kerl “das mit den Mädels” anstellte? Jetzt, wo der Mann 80 geworden ist, legt es sich wieder über die Medien wie die Pandemie. Furchtbar. Heute morgen entdeckte ich dann diesen Text des in meinen Augen satisfaktionsfähigen Popjournalisten Klaus Walter, den ich nie persönlich kennengelernt, von dem ich aber gelegentlich Gutes von meinem Freund und Gastautor Dieter Bott gehört hatte. Seitdem lese ich, was ich von ihm finde, und habe es bisher nicht bereut.
In Walters Text findet sich ein dialektisch geschulter Hinweis auf den Welthit “American Pie” von Don McLean, dessen No. 1-Platzierung 1972 überhaupt erst das US-Popuniversum für mich aufschloss. Musikalisch sprach mich das weit mehr an, als irgendwas von Dylan. Und der Kerl konnte sogar singen. Also lege ich zum Aufschreiben dieses Textes meine Doppel-Live-LP von Mc Lean von 1976 auf (im Radio läuft heute eh nix, alle haben freigenommen).
Und siehe da, es gibt auch eine McLeanologie. In der Sie sich ebenso schön verlieren können. “American Pie” ist also angeblich auch so eine Art US-Geschichtsschreibung vom Kriegsende 45 bis zum Beginn der 70er. In all dieser Zeit waren die USA für die westdeutsche BRD (und als Feindbild der DDR, insbesondere als kulturelles der SED) eine riesige Projektionsfläche, die sich fast über den ganzen Rest der Welt legte, und diesen fast unsichtbar machte.
Nur so konnte diese irre Dylanologie überhaupt entstehen und wachsen, wachsen, wachsen. Möge er seine Ruhe suchen und finden, hoffentlich noch zu Lebzeiten.
Und Mr. McLean hat angeblich ebenfalls seine Frau verprügelt, und diese die Scheidung eingereicht. Also auch ein A….loch? Die Musik ist trotzdem gut. Nur heiraten sollte ihn niemand, zu gefährlich.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Der Maschinist

    1984 hat sich mein Opel Kadett auf dem Ascheparkplatz am Müngersdorfer Stadion festgefahren (Hinterradantrieb). Da waren wir zu fünft auf dem Weg zurück vom Dylan Konzert nach Hause (in Essen). Santana war gut. Joan Baez(!) solide – in einem Fußballstadion voller “Rockfans”… Dylan, so lala… der beste Act, so steht es in den Geschichtsbüchern, waren Wolf Maahn & die Deserteure (feat. die göttliche Renate Otta!!!)

    Später dann 2x Dortmund Westfalenhalle (ua. m Tom Petty), Essen Grugahalle (besser) und Münster Halle Münsterland (sehr gut!) Beim Meister weist du vorher nie was du bekommst, deshalb geht man(n) immer wieder hin…

    Ein paar Links habe ich beizutragen:

    Wieder ist es das ZDF, welches sich mit der Wiederholung der Dokumentation von Dylans Auftritten auf dem Newport Folk Festivals 1963 – 1965 von Murray Lerner, verdient macht. Der Auftritt im Jahr 1965 – dem Jahr der Elektrifizierung und zwei Monate vor meiner Geburt… “Like a Rolling Stone” fasziniert auch den Nicht-Dylanologen (denen ich auch zweit meines Lebens skeptisch gegenübertrete…)
    https://www.zdf.de/kultur/pop-around-the-clock/bob-dylan-mirror-102.html

    Ebenfalls beim ZDF wird noch ein gekürzter Mitschnitt von 1992 vorgehalten. Das 30 jährige Jubiläum Dylans bei seiner Plattenfirma Columbia, hat selbige dazu motiviert im Madison Square Garden (NYC) eine historische Sammlung älterer Weggenoss*inn*en antreten zu lassen seiner Bobness zu huldigen. Besondere Highlights sind dabei besonders die Auftritte der Brüder Wilbury (Petty, Harrison)… und die Bestätigung der Tatsache, dass Dylan-Songs oft am besten von anderen gesungen werden.
    https://www.zdf.de/kultur/pop-around-the-clock/bob-dylan-anniversary-100.html

    Dann gab es vom WDR noch “Bob Dylans Amerika – Mit Wolfgang Niedecken” den Film hat die Kölner Anstalt aber wieder im Archiv vergraben – nachdem Niedecken’s Geburtstag abgefeiert wurde, brauch das ja auch keiner mehr.

    Zum Schluss noch meine Universalreferenz zu amerikanischer (populär-)Kultur & Politik: Bob Lefsetz (kein Dylanologe, doch ein hellsichtiger Zeitgenosse der “Grossen” & kleinen, Täter, Opfer und größter Kritiker der Industrie… Seinen Blog lese ich mindestens so regelmäßig, wie den Beueler-Extrdienst. https://lefsetz.com/wordpress/2020/12/07/why-hes-bob-dylan/

    Ach ja… und die Nachtigall aus Gronau hatte auch Geburtstag. Da habe ich eine noch viel längere Linkliste. Aber das ist eine andere Geschichte. KEINE PANIK!

  2. Roland Appel

    Ich gehöre zu den Musikhörenden und -spielenden, die den Hype um Dylan nie verstanden haben. Vor dem Hintergrund seines politischen Engagements vor allem nicht, dass er als alter Mann die Rechte an allen Songs vor Kurzem für einen dreistelligen Millionenbetrag verscherbelt hat. Kapitalismus lass grüßen!
    Geschrieben hat er viel und gut, aber viele Songs konntest Du immer nur in Cover-Versionen anderer Bands ertragen, haben andere Künstler seine Songs in Cover-Versionen anhörbar und berühmt gemacht. Sie waren es, die anstelle seiner pomadigen Stimme einer gefolterten Ente mit Wandergitarre und Mundharmonika Potenzial und Arrangement der Songs zur Entfaltung brachten. Songs wie: MyBack Pages – 1971 von den Byrds oder später 1994 BAP mit Sherryl Hackett; All along the Watchtower – von Jimmy Hendricks; Blowin’ in the Wind – mit Joan Baez; Hurricane – Dylan selber mal anhörbar, BAP: Stell d’r für, stell d’r für; It ain’t me, babe – Joan Baez; Knockin’ on Heaven’s Door – Pete Seeger, alle anderen, nur nicht Dylan; Tambourine Man – The Byrds; One too many Mornings – BAP; Mighty Quinn – Manfred Mann; Seven Days – Joe Cocker; Wanted Man – JohnnyCash; sind Legende. Aber Nobelpreis war schon so ein opportunistischer Flop wie der für Barack Obama.

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