Wer Mauern baut, gräbt sich seine Grube selbst. Der Bonner General-Anzeiger z.B. feierte einen nicht mehr jungen Mann als tapferen Widerstandskämpfer gegen die grausame Oberbürgermeisterin Dörner, der, als er noch ein junger Mann war, von informierten Kreisen der Extradienst-Leser*innen*schaft als “Fälscher-Fritz” bezeichnet wurde. Ich habe ihn mal persönlich Ende der 70er Jahre als Studentenparlamentspräsidenten abgewählt. Der General-Anzeiger hiess seinerzeit noch General-Verschweiger, konnte also in seinem Archiv dazu nichts finden 😉
Eingemauert hat ferner die SZ einen lesenswerten Text ihres Redakteurs Gerhard Matzig, der gestern noch zugänglich war, und den ich darum aus dem Gedächtnis referieren will. Es geht um den spektakulär-furchtbaren Hauseinsturz in Miami. Matzig lobt die berüchtigte deutsche Bürokratie, die einen Bau auf diesem Baugrund nicht erlauben könnte. Hypothese für die Katastrophe ist unter Statikern und Bauingenieuren, dass der Boden an dieser Stelle dauerhafte Absenkungen verursacht, die die Statik des Gebäudes schlussendlich überlastet haben. Die direkte Wasserlage war immobilienkapitalistisch betrachtet einfach zu reizvoll, als auf solche Gefahren “Rücksicht” zu nehmen. Derweil stürzte in Horn-Bad Meinberg, das ist in Westfalen, ein Balkon ab.
WDR-Rundfunkratsmitglied Robert Krieg, einer von den Guten in dem Gremium, schreibt in den Blättern: “Gemeinwohl oder Markt: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk am Scheideweg”. Furchtbare Überschrift, und eingemauert. Müssen Sie für 2 € kaufen. Schade eigentlich.
Ebenfalls eingemauert: ein FAZ-Interview mit Salman Rushdie. Behelfen können Sie sich mit einer zugänglichen Buchbesprechung von Arno Widmann/FR.
Die kommenden Mauern
Ohne Mauern arbeiten die Kolleg*inn*en von telepolis. Ex-Chefredakteur Florian Rötzer zeichnet die Gefahren der staatlich geförderten Wahrheitsministerien, modisch verkleidet als “Faktenchecks”, die den Kräften rechts von ihnen die Marktlücke der vorgeblichen “Subversivität” freiräumen. “Heute wäre wahrscheinlich auch der Marxismus oder der Verblendungszusammenhang der Kritischen Theorie eine Verschwörungstheorie.” Gerade mit diesen Instrumenten wäre beleuchtbar, dass diese Schein-Subversiven die brutalsten Vertreter der extremistischsten Formen von Klassengesellschaften sind.
Ohne Mauer analysiert Bernhard Schmid,/telepolis, wie weit sie in Frankreich schon gekommen sind, scheinbar zunächst gebremst durch eine unfassbare Welle von Wahlverweigerung. Wie es dazu gekommen ist, darauf gibt offenbar ein spannendes Buch Hinweise, das in der Jungen Welt besprochen wird.
Gar nicht verschwörerisch, sondern offen lässt das Bundesforschungsministerium die Perspektiven einer “Leistungsgesellschaft 2.0” untersuchen. Dass sie sich das öffentlich trauen, sagt leider viel über die Kräfteverhältnisse in der real existierenden Klassengesellschaft von heute. Angestrebt wird offenbar eine Kopie des chinesischen “Social-Credit.Systems”, nur – daran werden sich sogar FDP und AfD erfreuen können – natürlich nicht in der Hand des grausamen Staates, sondern in privater Verfügungsgewalt der bekannt fürsorglichen Vermieter und Vorgesetzten. Wenn ich das noch erlebe, werde ich auf meine alten Tage doch noch Revolutionär.
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