Hanns-Joachim Friedrichs’ Zitat von der “guten Sache”, mit der sich gute Journalist*inn*en “nicht gemein” machen sollten, wurde oft für die Propaganda von haltungslosem Journalismus missbraucht. Erfolgreich. Er hat sich über die Maßen ausgebreitet. Friedrichs sagte das seinerzeit jedoch konkret zu seiner Arbeit als Moderator. Das ist nur ein kleiner Teil des Journalismus. Aber wer hat heute noch “Zeit” für derlei Differenzierungen?
Wer wollte heute nicht für das Gute gegen das Böse arbeiten? Als ich als Kleinkind meine ersten Schwarz-Weiss-TV-Serien glotze (Lassie, Fury, Am Fuss der blauen Berge, Bonanza) war das selbstverständlich klar. Schwarz-Weiss-Fernsehen. Mit dem Aufkommen des Farbfernsehen, für das in Westdeutschland noch Willy Brandt persönlich auf einen symbolischen Knopf drückte, wurde klar, dass das wahre Leben so klar nicht ist. Dass nicht nur gute und böse Taten, sondern auch Systeme, die zu ihnen führen, zu analysieren sind, das lernte ich dann bei Monitor, Panorama (heute ein Schatten der Merseburger-Zeit), in der konkret (in den 90ern bellizistisch abgedreht), der DVZ (nach dem DDR-Ende im Freitag aufgegangen) und bei den Jungdemokraten (hier gehts zur politischen Verwaltung ihres Erbes).
Wie konnte dieses einst durchaus weit verbreitete Wissen wieder versickern? Warum hat meine Alterskohorte es so fahrlässig unterlassen, es weiterzugeben?
Mühselig erklärt Sabine Schiffer (telepolis) an einem eingängigen Beispiel, wie öffentlich-rechtliche Podcast-Macher guten Willens versucht haben, am Beispiel des Kayvan Soufi-Siavash (“Ken Jebsen”) zu beschreiben, wie ein engagierter Kerl zum Spinner umkippen konnte. Das machen sie jedoch so selbstgerecht und missionarisch, dass sie gar nicht merken, wie sie selbst zum Grüssaugust “strategischer Kommunikation” (= Propaganda) sich haben einschmelzen lassen. Und damit reproduzieren, was sie doch eigentlich zu bekämpfen vorgeben. Es mutet an wie die Fundamentarbeiten an einer Vorkriegsphase. Und die Täter*innen merkens nicht?
“Wir” waren doch schon mal weiter.
Und der böse Rivale China ist es auch: “Normung als strategisches und geopolitisches Instrument sowie exzellente eigene technische Fachleute”. Deutsche Ideen? Keine Satire.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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