Und: Wundersame Bahn LXXVII – Schweiz-Takt seit 1982
Der Rechercheverbund “International Consortium of investigative Journalists” (ICIJ) spart nicht mit Superlativen, wenn er mal wieder eine neue Ladung Daten journalistisch aufbereitet und verkauft. Seine Internationalität ist einerseits ein grosser Fortschritt, andererseits aber auch eine Notwehr gegen den Abbau von Recherche und Journalismus in den herrschenden Medien. Die deutschen Mitglieder werden vom sog. Rechercheverbund SZ/NDR/WDR gestellt. Und von ihnen werden die Ergebnisse vermarktet.
Nicht alle finden das gut. Die SZ gehört zu einem der marktbeherrschenden deutschen Zeitungskonzerne SWMH, NDR und WDR werden dagegen von unser aller Haushaltsabgabe bezahlt. Beim Spiegel oder anderen “Redaktionsnetzwerken” finden sie das nicht amüsant. Zwei der deutschen Mitmacher sind ehemalige Spiegel-Führungskräfte (Leyendecker und Mascolo).
12 Enthüllungen in 7 Jahren hat dieser Verbund (ökonomisch eine Art Kartell) auf dem Markt gebracht. Aus meiner Sicht förderte er damit dem Fortschritt dienliche Erkenntnisse über dem globalen Grosskapital dienende Politik. Ich persönlich habe meistens nichts Neues erfahren, nicht nur weil die SZ ihre Erkenntnisse in der Regel digital einmauert – während die Zusammenfassung des teilnehmenden Guardian (auf Deutsch im Freitag) offen zu lesen ist. Sondern auch, weil meine Weltsicht in der Regel bestätigt wurde, und sich auf diese Weise vielleicht/hoffentlich auf eine grössere Zahl Mitmenschen ausweitete.
Eric Bonse/taz gibt den aktuellen Veröffentlichungen eine fortschrittlicher Politik dienende Richtung. Thomas Pany/telepolis beleuchtet die problematischen Aspekte, die Einbettung in Geostrategien und mangelnde Transparenz, ohne dabei in eine hilflose Empörung umzukippen.
Wundersame Bahn LXXVII – Schweiz-Takt
War es dieses Jahr, oder voriges? Andy Scheuer zog fürs sterbende Medium Fernsehen eine Show ab, darüber, dass, wenn er wahrscheinlich in Rente ist, ein “Deutschland-Takt” bei der Deutschen Bahn eingeführt werde. In der Schweiz, schreibt Christoph Jehle/telepolis, gibt es das schon seit 1982. Ich bin in den 90ern öfter mit preisgünstigen Pässen dort gefahren: funktionierte alles tadellos – sogar Evakuierungen nach schweren Alpengewittern (damals in Konolfingen, dem Heimatort Friedrich Dürrenmatts).
Ach nee, bei Wikipedia steht, die Show von Scheuer hat schon 2018 stattgefunden. Und 2030 soll es so weit sein. Das wären dann gegenüber der Schweiz mit ihrer weit schwierigeren und kostspieligeren Alpen-Topographie nur 48 Jahre Rückstand.
Der Schweizer Gotthard-Basistunnel für die Verbesserung des europäischen Güterverkehrs ist seit 2016 eröffnet. Dort warten sie jetzt, dass wir Deutschen unsere Zulaufstrecken ertüchtigen (erinnert sei an das europaweite Malheur in Rastatt), um seine Kapazität (nach 17 Jahren Bauzeit) überhaupt ausnutzen zu können. 16 + 48 macht: 2064 könnte es so weit sein.
Übrigens: 1979 wurde im deutschen IC-System der Stundentakt eingeführt. Wo ist der eigentlich hin? Hier in NRW wurden die meisten ICs durch ICEs ersetzt, die nicht schneller (ausser Köln-Frankfurt), aber teurer fahren. Der Takt ist dabei irgendwo verloren gegangen. Aber die Fahrpreise strahlen Kontinuität aus.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net