Der Polit-Journalismus verändert sich revolutionär – oder wird abgehängt
Ich gehöre zu den Stammhörer*inne*n des DLF-MedienquARTEtts. Ich weiss nicht, wie viele es gibt. Ich würde sie auf einige Dutzend schätzen. Aber ich höre gerne zu, weil der Sender (redaktionelle Verantwortung schwer herauszufinden; mglw. Brigitte Baetz?) keine Apologet*inn*en einlädt, sondern eine gute Mischung aus Medienwissenschaftler*inne*n und Praktiker*inne*n, mit dem Stammgast Lutz Hachmeister. Gestern ging es um den Politikjournalismus.
Ich empfehle Ihnen wie immer, das selbst anzuhören. Zwei zentrale Anregungen blieben mir im Gedächtnis hängen. Die gelten auf dem Hintergrund der Tatsache, dass sich hierzulande eine krisenhafte Blasenbildung verschärft hat: durch den abseitigen Standort Berlin, fern von der grossen gesellschaftlichen Mehrheit im Westen, und durch Twitter, das Selbstreferenzmedium par excellence, der Schulhof aller was-mit-Medien-Leute und der PR-geilen Politszene, die kein privates Zuhause mehr hat.
Die eine Anregung: Hachmeister sagt voraus, dass die “lange Form” wiederkehren wird. An oberflächlichem Getratsche gibt es keinen Mangel und also auch keinen Bedarf mehr. Stattdessen wächst der Bedarf nach Verstehen, und also auch nach systemischem Erklären und Analysieren. Ich musste lachen, als er die Einrichtung langfristig angelegter Fachredaktionen in den öffentlichen Medien anregte. Genau das, was in den letzten Jahrzehnten rückstandslos abgeschafft wurde. Spätestens dann, wenn widerspruchskompetente Redakteur*inn*e*n “endlich” – und angesichts ihrer “Überflüssigkeit” sehnsuchtsvoll – in die Rente verschwanden.
Zu dieser langen Form regte Tilo Jung ganz richtig an, warum der DLF nicht auch so ein Gespräch bei Bedarf mehrstündig aufnimmt, und, neben der sportschauartigen “Zusammenfassung der Höhepunkte” 44 min im linearen Programm, die Komplettfassung ins Netz stellt. Gelegentlich macht der Sender das sogar. Ein Rätsel bleibt, warum das angesichts seiner technischen Realisierbarkeit seit knapp 30 Jahren immer noch angeregt werden muss.
Das Wochenende ist lang. Die MedienquARTEtt-Gäste sind klug. Hören Sie selbst.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net