Das Gegenmittel gegen den Irrsinn Kapitalismus ist gefunden
Ist es nun bedauerlich, dass es sich nicht um eine Revolution handelt? Die meisten Revolutionen, die ich kenne, waren mit in der Regel unverhältnismässigem menschlichem Blutzoll verbunden. Als Ü-65-jähriger kann ich darauf gut verzichten. Aber imgrunde habe ich mit meinem frühen (verlustfreien!) Renteneintritt, mit zwei Jahren ALG und zeitweiligem Leben als Rentier (Lebensunterhalt allein aus eigenen Ersparnissen) eine ganz ähnliche Strategie gefahren, wie die chinesische Innovation “Tang Ping” (übers.: “sich flach hinlegen”). Das mache ich mehrmals täglich, rückenschmerzenfrei. In den USA nennen sie das gleiche Phänomen “Ghosting”.
Es gibt revolutionären Widerstand der Körper. Er ist an den Krankschreibungen abzulesen, und hier wiederum an dem steigenden Anteil von Depressionen (“Burnout”).
Dazu gesellt sich massenhaftes individuelles Verhalten. Elmar Wigand/oxiblog, Pressesprecher von aktion./.arbeitsunrecht beschreibt das Phänomen so: “Der Begriff Ghosting, der ursprünglich aus dem Online-Dating kommt – Kommunikationsabbruch nach lebhaftem Kontakt – hat es in die Personalabteilungen geschafft.” Möglicherweise müssen zu dieser Form des Widerstands auch die japanischen Hikikomori addiert werden, die sich letztendlich ebenso dem System da draussen widersetzen, nur leider auch keinen wirklich genussfreudigen Ausweg wissen.
Blöd nur, dass unsereiner auch keine Fachkräfte mehr findet, um meine Wohnung rein und meine Technik in Betrieb zu halten. Diesen Blog würde es auch nicht geben, wenn es den Maschinisten nicht gäbe.
Ausländisch lesen
Ein gutes Gespräch führte telepolis-Chef Harald Neuber mit Journalistik-Professor Michael Haller, den wir auch schon als Extradienst-Gastautor hatten: “Mitunter stehen auch Kriegsreporter im Dienst der krasseren Schlagzeile – Der Medienwissenschaftler Michael Haller über das Massaker in einem Kiewer Vorort, mangelnde Selbstkritik im Journalismus und warum Georg Restle Recht hat”. Nicht in allen Punkten sind sich die beiden einig – für das Gespräch und für uns Leser*innen ist das gut.
Hmmm Martin, fernöstliche, speziell chinesische Philosophie ist kaum von den spezifischen lokalen Bedingungen zu trennen. Da machen wir es uns im “Westen” manchmal zu einfach und schauen nur danach, wie es aussieht, nicht unbedingt wo es her kommt. Das werfe ich dir sicher nicht vor… das ist mehr eine oberflächliche allgemeine Beobachtung.
Mich erinnert “Tang Ping” an “Fo Xi”, das vor einigen Jahren ebenso ein kulturelles und Internetphänomen war, bevor es wieder ebenso hinter der Great Chinese Firewall verschwand. Ich hab mir heute beides von einer viel jüngeren und nicht minder kritischen chinesischen Kollegin erklären lassen, die beide Fälle einfach unter den Begriffen “Resignation” und “Notwehr” zusammen gefasst hat.
Und das erschließt sich mir sofort. Wenn ich nur die Wahl habe mich gegen den Staatskapitalismus aufzulehnen um dann von seinem Machtapparat zum Schweigen gebracht zu werden, oder mich statt dessen einfach “flach hinzulegen” in der Hoffnung das die ökonomische Katastrophe einfach über mich hinwegfegt ohne mir dabei auch die letzten Lebensgrundlagen zu entziehen, dann weiß ich nicht, wie ich mich entscheiden würde. Familie kann sich eh keiner leisten. Frauen gibt es auch zu wenig.
Für die Spargel- und Erdbeerernte im Münsterland ist die Katastrophe in der Ukraine sicherlich ein Geschenk, Tönnies hat das in OWL genau so analysiert. Die Erntehelfer:innen sind alle schon da! Und zahlen brav in deine (und meine) Sozialversicherungen ein. Perverse Welt!
Ich leg mich jetzt auch hin!