Beueler-Extradienst

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Sie machen einfach weiter …

Ich habe gegen den medizinischen Rat meines langjährigen Freundes und Herausgebers gestern Abend zwei Politiksimulationen “Maybritt Illner” und “Markus Lanz” beobachtet, und möchte jetzt gar nicht im Einzelnen werten, welche besserwissenden Positionen von Journalist*inn*en dort wieder und weiterhin vertreten werden. Das deprimiert mich deshalb, weil die jüngste “Forsa” Umfrage sagt, dass Kanzler Scholz genau richtig liegt, dass ihm eine Mehrheit der Bürger*innen folgt, wenn er der Ukraine besonnen hilft, aber auch einen Kriegseintritt Deutschlands und einen eskalierenden (Atom-)Krieg verhindern will.

Die Journalist*inn*en, die sich offensichtlich in ihrer eigenen Berliner Kommunikationsblase befinden, treiben das Spiel des Bellizismus der letzten Wochen weiter. Sie behaupten weiter, der Kanzler sei zögerlich und das Land führungslos, Melanie Ammann (Der Spiegel) etwa schäumt weiter über Scholz, dass nun geliefert werde, verleugnet die weiterhin bestehenden praktischen  Probleme, etwa mit der Munitionierung der “Geparden” und geriert sich als Waffenexpertin, die sie nicht ist. Ähnlich Wolfram Weimer, und die Bellezistin Alice Bota bei “Lanz” – die Beschimpfung der Bundesregierung, dass alles nicht schnell genug gehe, dass immer mehr Waffen geliefert werden müssten, – alles geht weiter.

Die organisierte Unverantwortlichkeit erst Covid, jetzt Waffen

Lanz wirft dem Bundeskanzler vor, dass er von der Gefahr eines 3. Weltkrieg redet. Er versucht, die Kriegsangst der Bevölkerung durch seine Gäste relativieren zu lassen.  Es ist wie bei Covid 19: Gab es nach etwa zwei Monaten unter den Journalist*inn*en der Hauptstadt plötzlich jede Menge Virolog*inn*en und Seuchenexpert*inn*en, gibt es nun fast unzählige Verteidigungsexpert*inn*en, die sich im Herunterspielen der Eskalationsgefahr und dem symbolischen Zündeln im Munitionsdepot gegenseitig zu übertreffen scheinen.

“Russlandversteher” andersherum

Sie wissen es besser – vor zwei Jahren als Drosten und Wiehler, heute als Scholz, Baerbock, Habeck und Christine Lambrecht. Sie tanzen auf der Rasierklinge und spekulieren sich immer näher an die Grenze heran, an der die Eskalation einer atomaren Bedrohung außer Kontrolle gerät. Sie maßen sich an, den Atomkrieg als Narrativ der Russen darzustellen und die Drohung mit der Bombe zu minimieren. Sie tun, als könnten sie in die Köpfe von Putin und Lawrow blicken. Welche Hybris ist es, die die kommunikative Blase beherrscht, in der sich diese Spekulant*inn*en mit unser aller Sicherheit bewegen? Wer verantwortet ihre fahrlässigen und unverantwortlichen Einschätzungen, wenn sie falsch liegen?

Immer alles besser gewusst

Gleichzeitig zerredet das Gros der “üblichen verdächtigen” Berliner Journalist*innen schon wieder die erst gerade vom Bundestag  beschlossenen “schwere Waffen”, wie den “Gepard”, als nicht geeignet, nicht munitionierbar etc. Sie nutzen nun genau die Argumente, die von Anfang an gegen eine Abgabe deutscher Panzer gesprochen haben. Das geschieht bei Maybritt Illner so dummdreist, dass am Ende der Sendung Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Robert Habeck als vernünftige Politiker, die ruhige, vernünftige Positionen vertraten, im krassen Gegensatz zu irrlichternden Journalist*inn*en erscheinen. Wenn das so gewollt war, “Chapeau”, Frau Illner!

Systematische Entsolidarisierung

Die Mehrheit der Deutschen gibt nach wie vor Verhandlungen und politischen Lösungen den Vorzug. Das ist richtig und gut. Aber die Politiksimulationen erfüllen eine gefährliche ideologische Funktion: Sie gaukeln den Bürgerinnen und Bürgern vor, dass sie mit ihrer vernünftigen politischen Ansicht allein stehen. Wer ständig mit der Forderung nach Erhöhung der Verteidigungsausgaben, die mit der Militarisierung des Alltags einher geht, das Wort redet, will nicht politische Lösungen, sondern redet militärischen Aufrüstungen das Wort. Das aber kann nicht die Lösung des aktuellen Konflikts sein, denn niemand wird ernsthaft erwarten, die “Russen zu besiegen”. – die dann vorher nuklear zulangen würden.

Klima egal

Den Planet und sein Klima, der derzeit in Indien massive Rekorde der atmosphärischen Erhitzung bricht, scheinen die selbsternannten Generälinnen und Generäle der Medien dabei längst aus dem Blick verloren zu haben. Inzwischen wird nicht nur über die Verlängerung der Kohlekraftwerks-Laufzeiten geredet, sondern wieder über Atomkraft fabuliert. Deren Uranbrennstoff kommt übrigens fast ausnahmslos aus Russland, vor allem der für Boris Johnsons und Emmanuel Marcrons “Mini-“Atomkraftwerke.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

5 Kommentare

  1. w.nissing

    ich glaube zwar nicht das es hilft, schaden kann es aber sicherlich nicht: Cangeorg petition an Olaf Scholz
    https://chng.it/wpffVCNJrQ

    Ps ne kleine Mail an die entsprechenden Bundestagsabgeordneten zur moralischen Unterstützung kann sicherlich auch nicht schaden z.B. rolf.muetzenich@bundestag.de

  2. Peter Lessmann-Kieseyer

    Lieber Roland Appel, danke für den Beitrag. Diese Polit-Reporter aus der Berliner Blase, aber weiß Gott nicht nur die, skandalisieren bereits seit Wochen das Thema Waffen, die angeblich unzureichend ausgestattete Bundeswehr und eine vermeintlich zögerliche Haltung der Ampelkoalition bei der Unterstützung der Ukraine. Dass der Bellizismus im öffentlichen Diskurs, vor allem in den Medien aber auch in der Politik eine solche Oberhand gewonnen hat, ist in höchstem Maße erschreckend. Nicht in Ansätzen werden in den Talkrunden von Illner, Lanz & Co oder auch darüber hinaus Lösungsmöglichkeiten aufgegriffen. Also: wie kann dieser Krieg beendet und ein Waffenstillstand erreicht werden, wie könnten diplomatische Ansätze zur Konfliktlösung entwickelt werden oder noch weiter in die Zukunft gedacht: wie könnte eine künftige Sicherheitsordnung in Europa aussehen?

    Olaf Scholz, ja, ist einer der wenigen, der in dieser Debatte auch mal nachdenkt. Das ist zwar anerkennenswert, doch am Ende bedeutungslos, denn am Strang zur Durchsetzung des Militärischen zieht er schlussendlich doch mit.

    Und er war es auch, der in einem panikartigen Reflex auf die Brutalität des russischen Militärs in der Ukraine mal eben so locker ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr locker machte – und diesen Akt auch noch mit dem Attribut einer angeblichen Zeitenwende ausschmückte. Nein, die Politik steckt in einer gefährlichen Sackgasse, wenn sie weiter an der Waffen- und Eskalationsspirale dreht. Nach dem Gephard vielleicht anderes schweres Gerät, Kampfdrohnen und dann doch eine Flugverbotszone? Wohin wird ein solches Szenario wohl führen?

    Dass sich die Grünen in der Regierung dabei immer mehr als Falken gerieren – ob Hofreiter, Baerbock, Habeck oder auch das Duo Beck/Fücks, sie alle fordern schließlich schwere Waffen für die Ukraine – ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Denn mit der Zustimmung zum völkerrechtswidrigen Eingreifen der NATO im Kosovo-Krieg haben sich die Grünen als Friedenspartei ohnehin schon vor mehr als 20 Jahren verabschiedet.

  3. ernst martin walsken

    Ich bin nicht immer Deiner Meinung, Roland, aber hier hast Du m.E. den Nagel auf den Kopf getroffen. Wegen Journalisten wie Frau Amann lese ich den SPIEGEL nicht mehr. Da fehlt jede Distanz, sie hatte ja noch nicht einmal dem Ex-General zugehört, dann hätte sie ganz andere Schlüsse gezogen. Und was soll der Ruf nach “Führung”? Meint sie autoritäre Anweisungspolitik? Die ruhige Art der Politik, die CDU schliesse ich tatsächlich mit ein, versteht Führung als kooperatives Modell europäischer Teams. Gut so.

  4. Martin Böttger

    Ich empfehle zur Ergänzung Alexander Kluge (90), Audio 9 min.
    https://www.deutschlandfunk.de/keine-schweren-waffen-alexander-kluge-zum-emma-brief-der-intellektuellen-dlf-aa20c4d7-100.html

  5. Helmut Lorscheid

    Ich habe es schon vorher geschrieben- diese Frau Baerbock ist so eine Art Lobbyistin für die Rüstungsindustrie – längst vo dem Russischen Überfall auf die Ukraine (der natürlich seine eigene Geschichte hat – siehe Dohnanyi:
    https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/das/Politiker-Klaus-von-Dohnanyi-zu-Gast,sendung1239976.html

    Aber vor der Bundestagswahl traf sich diese Annalena mit dem Reserivstenverband- wer mag, kann es ja noch mal nachlesen: https://extradienst.net/2021/02/08/die-annalena-und-der-andre/

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