Eine schwache “Studie” schafft Aufmerksamkeit – wer hätte nicht gerne solche Feinde?
Streit und Konflikt schafft Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist eine Währung, gut fürs Geschäft. Insbesondere für das publizistische Geschäft. Insofern läuft es gerade sehr gut für die Kollegen der nachdenkseiten. Und für Roland Appels Text über die angeblich modernen Liberalen in Berlin. Harald Neuber/telepolis-Chefredakteur hat sich des Themas angenommen. Seine Autorin Christiane Voges macht es richtig gut. Wenn Sie die sorgfältig lesen, macht sie sich mit keiner Seite gemein, fungiert eher als Ringrichterin mit einem am Ende klaren Urteil.
Mein Journalisten-Freund Wolfgang Storz hatte dem von Frau Voges nun dekonstruierten Herrn Linden aus Trier ein Forum geboten, sein Kritik-Werk an den nachdenkseiten zu präsentieren. Dort war mir schon der Schlenker gegen Ulrike Guérot aufgefallen, den er im FAZ-Feuilleton (Paywall) zu einer umfangreichen Diffamierung ausbaute. Wers mag, ich stürze mich nicht überall dazwischen. Meistens ist es zu billig.
Neuber gab in seinem Medium Albrecht Müller zusätzlichen Raum zu einer Entgegnung per Interview. Der hat keine grosse Lust dazu. Hätte ich auch nicht. Aus dem Alter sind wir raus.
Die die Macht in unserer Gesellschaft haben, werden es, wenn sie es überhaupt beachten, mit Amüsement verfolgen, wie sie es auch beim parallel laufenden Parteitag der Linkspartei tun werden. Nichts an alledem ist ernstzunehmen, im Sinne von “politisch gefährlich”. Im Gegenteil: es wird Wohlgefallen finden, wie sich alle Beteiligten, ganz ohne Eingriffe der eigentlichen politischen Gegner*innen, selbst auseinandernehmen. Das ist meine Kernkritik an den nachdenkseiten: dass sie dazu nach Kräften beitragen. Rechthaberei statt diskursive Bündnisbildung.
An Neubers Stelle hätte ich Albrecht Müller gefragt:
Warum fungieren Sie als Wagenknecht-Groupie? Warum lassen Sie andere innerlinke Stimmen nicht zu Wort kommen?
Warum verlinken sie in Ihrer täglichen Linkliste mit hohem Gebrauchswert bedenkenlos und kritikfrei zu russischen Staatsmedien? Und auch noch zu Medien des Springerkonzerns oder zu “Focus”, die alle eine klare rechtsorientierte Agenda verfolgen? Und im Falle Springer ihre Mitarbeiter sogar arbeitsvertraglich eine solche Agenda unterschreiben lassen?
Warum haben Sie sich nicht gegen die Rechtsoffenheit zahlreicher Corona-Demos gewandt? In den 70ern und 80ern der BRD wäre das undenkbar gewesen, und wurde immer erfolgreich vermieden. Ist die Linke schon so schwach, dass sie das nicht mehr kann? Was bliebe dann von ihr übrig?
Warum kritisieren Sie umgekehrt mit zunehmender Bitternis Andersdenkende, die politische Bündnispartner*innen sein könnten? Das haben Sie doch in den 70ern weit konstruktiver und erfolgreicher gehandhabt? – Wie es Müller in dem Interview selbst zutreffend ausführt.
Warum der Bruch mit Wolfgang Lieb, nach dem die nachdenkseiten spürbar gereizter auf fortschrittliche Meinungsvielfalt reagieren?
Was mir zu den Nachdenkseiten einfällt und auffällt:
1 Die globale Nachhaltigkeitskrise und die Notwendigkeit der nachhaltigen Transformation unsere Welt im Sinne der Agenda 2030 findet auf den Nachdenkseiten praktisch nicht statt. Darin unterscheiden sich die Nachdenkseiten freilich nicht grundsätzlich vom Mainstream der öffentlichen und veröffentlichten politischen Meinung.
Wo allerdings im Nachdenken die Nachhaltigkeitskrise nicht stattfindet, findet die Analyse und das Verständnis der Gegenwart vor allem durch und im Rückspiegel statt.
Dieses „Nachdenken“ im Rückspiegel erscheint grundsätzlich beschränkt, kommt an Grenzen und hilft nicht wirklich, wenn der Weg, auf dem man sich mit Politik und Gesellschaft bewegt, etwas kurviger oder das Gelände unwegiger wird.
2 Die täglichen „Hinweise Tages“ finde ich hilfreich
3 Die Verfolgung und Begleitung des Schicksals von Julian Assange halte ich für ausgesprochen verdienstvoll.
4 Die Untugend, aus Unterstellungen Behauptungen zu machen ist kein Privileg der Nachdenkseiten.
5 Gute Verschwörungstheorien können inspirierend sein, solange man sie nicht kleingeistig und sektiererisch mit tatsächlichen Verschwörungen verwechselt und für „wahr“ hält. Tendenzen zur Kleingeistigkeit und zum Sektierertum sind auf den Nachdenkseiten immer wieder erkennbar.
6 Nicht zuletzt scheinen Eigensinn und Rechthaberei die Nachdenkseiten immer wieder intellektuell und politisch in die Pampa zu führen. Dort treffen sie dann auf allerlei eigenwilliges Volk und Leute. Politisch und intellektuell wird die Pampa dadurch allerdings nicht.
7 Wie die Nachdenkseiten mit der Grundeinkommensidee umgehen und sich zu dieser Idee positionieren, offenbart eine grundlegende Schwäche politischer Kreativität und Phantasie zur Gestaltung der Zukunft.
Danke, das empfinde ich als wohltuend informative Ergänzung.
Die NDS sind ein sehr kleines Medium was die personelle Ausstattung betrift.Daraus ergibt sich zwangsläufig eine eingeschränkte journalistische Abdeckung(die ich auch vermisse aber, so what, dafür gibt es andere Medien).
Die NDS sind kein 8 Milliarden Wasserkopf mit entsprechend dünnflüssigem Informationangebot(von einigen Brotkrummen für schlaflose Nachtwächter oder Mitmenschen mit Schlafstörung) .
Also bitte, ein bissssschen mehr Einordnung…………
Lieber Martin Böttger,
Du richtest in Deiner kurzen Anmoderation viele Fragen an die NDS. Deine Fragen gründen jeweils auf grundsätzlicher inhaltlicher Kritik an den NDS. Deine Fragen werden auf Telepolis natürlich weder gestellt noch würde Müller sie beantworten. Wer Interesse an Antworten auf Deine Fragen hat, der muss die inhaltsstarke Studie von Markus Linden lesen.
wie immer herzliche Grüsse
Wolfgang Storz
oh lala…..Bruchstückhaft?
Zitat aus dem Artikel: “Im vorliegenden Fall ist das in erster Linie der Sozialwissenschaftler Wolfgang Storz, der sich 2015 für die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung mit dem Papier “Querfront – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks” zu Wort gemeldet hatte. Dass dieses Papier nach heftiger Kritik mehrfach überarbeitet wurde, und vor allem warum, liest man nicht.
Es war die Medienwissenschaftlerin und Telepolis-Autorin Sabine Schiffer, die damals zu der Überarbeitung beigetragen hatte. Sie sieht eine Analogie zwischen beiden Arbeiten: Beide führten selektiv Beiträge und Verlinkungen an, um daraus qualitative Rückschlüsse über die untersuchten Medien und ihre Netzwerke zu ziehen.”
https://www.heise.de/tp/features/Die-Presse-als-Gegner-7155940.html