Matthias Fuchs und taglichtmedia/Köln über die Ahrflut – gestern auf ARTE (3 Monate Mediathek)

Mein Glück als Beueler in jenem Sommer so absolut schadlos durchgekommen zu sein, kann ich heute immer noch nicht fassen. An Ahr und Erft sowie im Bergischen Land, also überall um uns herum, sind zahlreiche Leben zerstört und beendet worden, tausende Menschen wurden für den Rest ihres Lebens traumatisiert. Will mann daran erinnert werden? An mein Glück: ja. Ich habe es gewagt, und meine was gelernt zu haben.

Der Film heisst “Die Nacht, als die Flut kam – Protokoll einer Klimakatastrophe” und ist in der ARTE-Mediathek drei Monate verfügbar. Wenn es sich nicht um eine zufällige Namensgleichheit handelt, ist mir Filmautor Matthias Fuchs gelegentlich als Beiträger des WDR-Verbrauchermagazins Markt aufgefallen. Hier dagegen mal eine grosse Arbeit, zusammen mit taglichtmedia.

Das Werk ist insgesamt gut gelungen. Es ist empathisch mit den Flutopfern. Die Porträtierten sind exzellent gecastet. Sie stehen nicht nur rum und jammern. Im Gegenteil: sie zeigen und öffnen sich. Sie haben alle seitdem sehr, sehr viel nachgedacht. Und gelernt. So dass wir als Zuschauer*innen mitlernen können. Die Bezüge zur Klimaforschung und den zu ziehenden Konsequenzen werden stringent und wissenschaftlich hergestellt, werden aber an keiner Stelle aufdringlich agitatorisch. Das wurde nur ich, beim zuschauen. Und habe Ihnen daraus folgendes mitzuteilen.

Der Ablauf der Ahrkatastrophe im “kleinen” war fast identisch mit dem Klimawandel als planetarischem Phänomen. Eine (scheinbare) Mehrheit der Menschen – in den reichen mächtigen profitierenden Ländern mindestens – kapiert erst, wenn die Katastrophe da und zu sehen und zu fühlen ist. Dann ist es nur leider zu spät. An der Ahr gab es mehr Tote als in Bangla Desh. Die kennen das Hochwasserproblem viel besser. Das Europäische Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersagen (Efas) hatte zeitig gewarnt, es war exakt für solche Zwecke gegründet worden. Die Wissenschaftlerin Hannah Cloke, die an seinem Aufbau mitgearbeitet hat, fragt zurecht, wie das mit den technologischen Mitteln und Möglichkeiten Deutschlands überhaupt passieren konnte. Verantwortliche gewählte Politiker merken eben auch alles erst zu spät, sinnlich und erst recht in ihrem Denken. Lesen Sie nur mal nach, was die in Elmau (“G7”) wieder angestellt haben. Die können gar nicht von hier sein. Die sind irgendwo anders.

Die eigentliche Chance ist, dass die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen längst verstanden hat. Sie sind halt nur eine kleine radikale Bevölkerungsminderheit. Wir Alten sind die Vielen. Sie werden uns entmachten müssen, mindestens in der Klimapolitik. Das Problem wird sich nicht demografisch lösen. Dafür fehlt die Zeit.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net