Ukrainekrieg: Zwischen Moral und Realismus

Nach mehr als sechs Monaten Krieg in der Ukraine scheint ein Ende in weite Ferne gerückt. Washington und Brüssel steigern die Waffenlieferungen an Kiew, und der Wirtschaftskrieg wird immer dramatischer. Doch es mehren sich Stimmen, die für Verhandlungen plädieren. Noch gelten sie als unrealistisch und unmoralisch.

Mehrere Versuche gab es in den letzten Monaten, um die Gegner an den Verhandlungstisch zu bringen: angefangen bei der Initiative Mario Draghis, über Appelle des UN-Generalsekretärs bis zur Erklärung der internationalen Arbeitsgruppe um Romano Prodi und Jeffrey Sachs. Doch all diese Bemühungen schafften es nicht, eine öffentliche Diskussion loszutreten, sofern sie von den großen Medien überhaupt wahrgenommen wurden. Dort sind Alternativen zur militärischen Logik unerwünscht. Sie könnten das neue TINA-Prinzip in Frage stellen: there is no alternative to Waffenlieferungen und Sanktionen.

Wer dann doch in der Tagesschau, FAZ oder taz vorkommt, wie etwa der von Alice Schwarzer initiierte Promi-Brief an Olaf Scholz, wird als Lumpenpazifist beleidigt, mit Nazi-Vergleichen eingedeckt und gilt als „fünfte Kolonne Moskaus“. „Defätisten“ wollten „einen Waffenstillstand von Putins Gnaden herbeireden,“ so die FAZ am 5. September, und selbst der Chef des Vatikans wurde ganz in diesem Propagandasound aus Blut und Eisen zu „Putins Papst“ ernannt (FAZ 25.8.).

Komplementäres Gegenstück zur Diskreditierung von Kritikern der kriegerischen Politik ist die Selbsterhöhung der Anhänger von Waffenlieferungen und Durchhalteparolen. Sie halten sich für die Inkarnation moralischer Überlegenheit.

Die moralische Diskreditierung von Kritik am offiziellen Kurs soll einschüchtern und ist nicht völlig wirkungslos. Selbst bis in Teile der gesellschaftlichen Linken und der Friedensbewegung ist sie spürbar. Daher sollte sie etwas genauer unter die Lupe genommen werden.

Moral und Pseudomoral

Die moralische Sicht auf diesen Krieg hat für ihre User durchaus Vorteile. Vor allem vereinfacht sie die Dinge sehr. Denn Moral analysiert nicht, sondern urteilt und verurteilt. Dabei muss man nur mit zwei Variablen arbeiten: Gut und Böse. Komplexe Probleme, deren Verständnis und Lösung eine gewisse intellektuelle Anstrengung und Differenzierungsvermögen erfordern, erscheinen dann plötzlich ganz einfach. Eine Analyse der strukturellen und historischen Zusammenhänge, aus denen heraus der Krieg entstand, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ist dann überflüssig.

Moral hat aber auch einen großen Nachteil: sie ist unteilbar. Wer selbst immer mal wieder andere Länder überfällt – wie das Deutschland 1999 im Verein mit der NATO gegen Jugoslawien tat, oder die Ukraine, die 2003 das sechstgrößte Truppenkontingent (von 36) in George W. Bushs Koalition der Willigen im Krieg gegen den Irak stellte –, wird moralisch unglaubwürdig, wenn er das Böse nur bei den andern sieht. Aus Moral wird dann Doppelmoral – und die ist unmoralisch.

Dabei geht es hier nicht darum, Moral prinzipiell in Frage zu stellen. Als normative Orientierung ist sie nicht nur legitim, sondern es braucht Wertvorstellungen, die als Kompass die Richtung praktischen Handelns vorgeben. Allerdings lassen sich moralische Ideale nicht bruchlos in Alltagspraxis übertagen, und schon gar nicht in die komplizierten Zusammenhänge der internationalen Beziehungen.

In diesem Zusammenhang kommt ein weiterer Nachteil von Moral ins Spiel: die Rigorosität ihres Geltungsanspruchs. Moral kann keine Kompromisse machen, ohne sich aufzugeben. Das reale Leben verlangt aber auf Schritt und Tritt Kompromisse von uns, und in unserem Konzept von Demokratie ist der Kompromiss sogar essentiell.

Max Weber hat versucht das Dilemma so aufzulösen, dass er zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik unterschied. Wie sinnvoll das ist, sei dahingestellt. Aber für den Krieg in der Ukraine ist den Anhängern militärischer Lösungen weder das eine noch das andere zuzubilligen. Denn ihr Kriegsziel – sei es ein militärischer Sieg der Ukraine, oder auch nur die militärische Durchsetzung einer starken Verhandlungsposition – ist weder moralisch noch verantwortungsvoll.

Der Tod der anderen

Denn moralisch völlig inakzeptabel ist es, auf unkalkulierbare Zeit eine unkalkulierbare Zahl von Menschen in den Tod zu schicken. Baerbock & Co. können sich nicht kaltschnäuzig um die Frage drücken, ob sie zehntausend, fünfzigtausend, hunderttausend oder mehr tote Soldaten und Zivilisten akzeptieren, um ihr Kriegsziel zu erreichen.

Der Tod der anderen, von dem Anführer, Könige, Herrschende schon immer meinten, dass sie das Recht hätten, ihn einfordern zu können, ist moralisch verwerflich. Das gilt gleichermaßen für Putin wie für Selenskij, für Biden, Scholz und tutti quanti.

Umgekehrt liegt hier die wichtigste moralische Legitimation für glaubwürdige Friedenspolitik. In einer wertebasierten Außenpolitik, die diesen Namen verdient, steht Frieden an erster Stelle, so wie Frieden auch der Zentralbegriff des Völkerrechts ist. Und gleiches gilt für die Menschenrechte. In der Menschenrechtserklärung der UNO von 1948 steht an der Spitze aller Rechte nicht zufällig das Recht auf Leben.

Zudem tritt die Brüchigkeit der moralischen Sichtweise besonders deutlich zutage, wenn das verbale Kriegertum sich wohl geborgen tausend Kilometer weit vom Schuss abspielt: kämpfen bis zum letzten Ukrainer – das hat mit Moral nichts zu tun.

Solidarität mit der Ukraine heißt daher zuallererst sich dafür einzusetzen, dass das Töten aufhört. Die Befürworter von Verhandlungen haben also nicht den geringsten Anlass, sich von einer Pseudomoral einschüchtern zu lassen, deren Repertoire zur Beendigung des Krieges auf das Militärische geschrumpft ist.

Aber auch aus moralischer Verantwortung gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber den armen Ländern, ist ein baldiger Stopp des Krieges erforderlich. Der Wirtschaftskrieg, in dem der Westen sein ökonomisches Potential in nie gekanntem Maße ausspielt, nimmt die Zunahme von Armut, Hunger und Tod im Globalen Süden und noch mehr Chaos in der Weltwirtschaft als Kollateralschaden in Kauf.

Last but not least absorbiert der Krieg die politischen und materiellen Ressourcen, die dringend für die Bekämpfung des Klimawandels, des artensterbens und der anderen Umweltprobleme benötigt werden. Die Uhr läuft, die Welt läuft immer schneller auf die Kipppunkte zu, an denen irreversible Schäden eintreten.

It’s geopolitics – stupid

Neben der Konfliktdimensionen, die aus dem chaotischen Zerfall der Sowjetunion entstanden sind – Minderheiten- und Sprachprobleme, Grenzstreitigkeiten und ähnliches, die zum Beispiel auch zum Krieg zwischen Armenien und Aserbeidschan führten – ist dieser Krieg eine internationale machtpolitische Auseinandersetzung, ein geopolitischer Stellvertreterkrieg. Das sieht man auch in Washington so. Von einem „proxy war with NATO“, spricht etwa Hal Brands, Mitarbeiter im US-Außenministerium. In seinem lesenswerten Artikel „Why Superpower Crises Are a Good Thing“ zeigt er die Chancen auf, die der Krieg für Washington bietet.

Tatsächlich ist die Stellvertreterdimension inzwischen der dominante Treiber des Krieges. Die Internationalisierung führt allerdings dazu, dass die Komplexität des Konflikts und die damit verbundenen Risiken um Größenordnungen größer werden. Damit wird auch das Argument obsolet, wir dürften der Ukraine nicht von außen vorschreiben, was sie zu tun habe. Es gibt kein Außen mehr.

Dass eine Atommacht gegen ein atomwaffenloses Land Krieg führt, ist dabei nicht das Besondere. Die USA haben das in Dutzenden Fällen ebenfalls getan. Ebenso Frankreich, Großbritannien und Israel. Ginge es nur um die Ukraine, wäre das Risiko einer atomaren Eskalation gering. Durch die Internationalisierung entsteht aber eine neue Brisanz. Denn zum ersten Mal seit der Kuba-Krise ist die potentielle Verschiebung des atomaren Gleichgewichts direkt ein zentraler Gegenstand des Konflikts. Und das unter Bedingungen, in denen fast alle Rüstungskontrollverträge aus dem Kalten Krieg gekündigt sind und technologische Umbrüche in der Kriegführung – wie Digitalisierung, Cyberkrieg, Miniaturisierung von Atomwaffen, Hyperschallträger etc., – die globale Sicherheitslage enorm destabilisieren.

In dieser Situation befürchtet der Kreml, die Ukraine könnte zum Kuba vor Russlands Haustür werden. Das atomare Patt ist aber das einzige Terrain, auf dem Moskau Supermachtstatus hat und mit den USA auf Augenhöhe liegt. Bei allen anderen Machtressourcen – vom konventionellen Militär, über Ökonomie, Technologie bis zur Soft Power – gibt es eine eklatante Unterlegenheit Russlands.

Außerdem steigt durch die Vielzahl der Akteure das Risiko einer ungewollten Eskalation. Sei es durch technische Pannen oder gezielte Provokationen untergeordneter Spieler, zum Beispiel einer Blockade Kaliningrads durch Litauen. Vilnius hatte sich schon mit der Etablierung einer Vertretung Taiwans als besonders provokationsfreudig gezeigt – vermutlich mit Washington abgesprochen. Bei der Teilblockade der Eisenbahnverbindung nach Kaliningrad im Juli bekam aber selbst die EU-Kommission kalte Füße und setzte eine Deeskalation durch.

Das war keine Kapitulation vor russischen Drohungen, sondern die rationale Einsicht, dass Draufgängertum im Atomzeitalter reiner Irrwitz ist. Wer mit machohaftem Dünkel – der keineswegs auf Männer beschränkt ist – meint, man dürfe Russland keine Zugeständnisse machen, verkennt die Gefahr mit der die Menschheit seit Hiroshima leben muss. Es ist der „Mut der Unwissenden“, wie der sächsische Ministerpräsident es in seinem Plädoyer für ein Einfrieren des Konflikts formulierte.

Unrealistisch?

Aber Verhandlungen seien völlig unrealistisch, zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt, heißt es. Solange nicht mindestens eine der Kriegsparteien erschöpft sei, würde es keine Verhandlungen geben.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass jene, die unter der Parole Solidarität mit der Ukraine militärische Hilfe verstehen, mit völlig unrealistischen Spekulationen arbeiten. Russland hat seit dem 24. Februar die Kontrolle über ein Terrain von ca. 100.000 Quadratkilometern gewonnen. Das entspricht fast der Fläche der Niederlande, Belgiens und der Schweiz zusammen. Nimmt man die Krim dazu, die Kiew zurückholen will, ist das ein Gebiet von der Größenordnung Englands. All das gegen einen Gegner zurückzuerobern, der noch lange nicht erschöpft ist, und das, obwohl Angriff in der Regel dreimal mehr Ressourcen erfordert als Verteidigung, ist pure Illusion.

Die von Selenskij angekündigte Großoffensive zur Rückeroberung der Großstadt Cherson im Süden ist inzwischen zu einer Operation mit taktischer Reichweite im Gebiet Charkiw im Osten geworden. Schon im Juni schrieb der ehemalige Generalstabsoffizier der Schweizer Armee Jacques Baud dazu, dass die Funktion der russischen Truppen in dieser Region „lediglich“ darin bestünde „die ukrainischen Streitkräfte zu binden.“ Es handelt sich um Territorium außerhalb des Gebiets Lugansk im Donbass, und seine Eroberung gehört daher nicht zum Kern der russischen Kriegsziele. Es ist nicht das erste Mal, dass sich russische Truppen zurückziehen. Der Abzug aus der Region Kiew in der Anfangsphase des Krieges oder von der Schlangeninsel im Schwarzen Meer im Juli sind frühere Beispiele. An der strategischen Gesamtlage hat sich dadurch nichts geändert.

Allerdings werden solche begrenzten Teilerfolge als Beleg für ukrainische Siegchancen überschätzt und erzeugen trügerische Hoffnungen, wie die Frontberichterstattung in unseren Medien dieser Tage demonstriert. Sie dient dazu, die Kampfmoral an der Heimatfront aufrecht zu erhalten, und die Forderung nach Lieferung moderner Kampfpanzer zu rechtfertigen. Am Ende würde das zu einer militärischen Eskalation führen, den Blutzoll erhöhen und Verhandlungen noch mehr erschweren.

Zudem ist die Behauptung, keine Seite wolle verhandeln, so nicht richtig. Moskau signalisiert immer mal wieder, dass es zu Verhandlungen bereit wäre, so Außenminister Lawrow erneut am 11. September – ganz im Gegensatz zu Selenskij. Selbst wenn es sich erst mal nur Worte im Propagandakrieg handelt, müsste eine Regierung mit Friedenswillen versuchen, sie auf ihre Ernsthaftigkeit zu testen. Schließlich war Moskau im Getreidedeal zu Verhandlungen bereit, ebenso wie bei der Vereinbarung mit der Internationalen Atomenergiebehörde zum AKW Saporoschje.

Doch in der EU hat anscheinend niemand die Courage, eine diplomatische Initiative zu ergreifen. Es ist bezeichnend, dass zwar Macron und Scholz noch manchmal mit Putin telefonieren, aber Joe Biden seit Beginn des Krieges kein einziges Mal zum Hörer gegriffen hat. In Moskau geht man zurecht davon aus, dass Paris und Berlin in der Sache nichts zu melden haben. Denn ein Effekt dieses Krieges ist, dass der Traum von der strategischen Autonomie der EU vorerst ausgeträumt ist.

Aber das bedeutet nicht, dass die Zukunft wie ein mechanisches Uhrwerk alternativlos abläuft. Die Kräfteverhältnisse in diesem Krieg können nicht auf die militärischen reduziert werden. Auch wenn die Sanktionen durchaus Schaden in der russischen Wirtschaft anrichten und der IWF ein Schrumpfen des Bruttoinlandprodukts um 8,5 Prozent prognostiziert, so wird gleichzeitig für die Ukraine ein Minus von 35 Prozent vorausgesagt. Die sozialen Konsequenzen für die Bevölkerung sind schon jetzt dramatisch und werden in den Wintermonaten noch drastischere Formen annehmen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die militärische Lage.

Alternativen in die Debatte einbringen

Richtig ist, dass diejenigen, die einen Einstieg in Verhandlungen fordern, auf die militärische und ökonomische Entwicklung keinen Einfluss haben. Das aber heißt nicht, völlig machtlos zu sein. Ihr Terrain ist die Beeinflussung des Meinungsklimas bei uns. Verhandlungen als Alternative zum Krieg in der innenpolitischen Debatte stark zu machen, ist eine politische Produktivkraft, mit der Druck aus der Gesellschaft entstehen kann. Kräfteverhältnisse sind nicht statisch, sie können durch Eingreifen von unten verändert werden. Und dafür stehen die Chancen besser, als es scheint.

So zeigen Umfragen, dass der Konsens, der in Politik und Medien demonstriert wird, keineswegs der Stimmung in der Bevölkerung entspricht. Eine Studie der Friedrich Ebert Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass die sogenannte Zeitenwende „Deutschland nicht in ein vollkommen anderes Land verwandelt, denn die öffentliche Meinung hält weiter an Pragmatismus und Pazifismus fest. Die Skepsis gegenüber militärischen Mitteln hat sich seit Beginn des Krieges sogar verstärkt.“ So waren bei einer Umfrage im Mai 49 Prozent der Meinung:

„Das Wichtigste ist, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, auch wenn das bedeutet, dass die Ukraine die Kontrolle über Gebiete an Russland abgibt.“

Nur 19 Prozent meinen, man müsse „Russland für seine Aggression bestrafen, auch wenn dies bedeutet, dass mehr Ukrainer-innen getötet und vertrieben werden.“

Auch nach einer FORSA-Umfrage von Ende August wollen 77 Prozent der Deutschen, dass der Westen Verhandlungen aufnimmt. Nur 32 Prozent befürworten die Lieferung schwerer Waffen, 62 Prozent sind dagegen.

Sehr interessant ist auch eine frische Umfrage aus Frankreich. Demnach votieren zwar noch 40 Prozent der Franzosen für die Unterstützung der Ukraine und Sanktionen gegen Russland. Aber gegenüber der vorherigen Befragung ist diese Quote um 6 Prozent zurückgegangen, während der Anteil derer, für die Inflation und Kaufkraftverlust absolute Priorität hat, um 8 auf 27 Prozent zugelegt hat. Und das, während es draußen noch mild ist und die toxische Mischung aus Krieg, Energiekrise, Inflation, Corona und sozialer Krise noch kaum spürbar.

Friedenspolitische Alternativen als politische Produktivkraft

Aber man sollte sich nicht nur auf die Kriegsmüdigkeit stützen, auch wenn sie ein willkommener Verbündeter der Friedenspolitik ist. Auch die im engeren Sinne friedenspolitischen Alternativen müssen anschaulich gemacht werden, selbst wenn sie nicht sofort realisierbar sind. Wie bei anderen Themen ist das Aufzeigen von Alternativen eine Produktivkraft, die Motivation und politisches Engagement erzeugt. Es geht zunächst darum, das Meinungsmonopol des militärischen Narrativs zu brechen.

In der Vielzahl der inzwischen vorliegenden Vorschläge kristallisieren sich als Kern folgende Punkte heraus:

– als erstes muss ein Waffenstillstand zustande kommen;

– dazu wird es Vermittler bedürfen. In Frage kommen dafür die UNO und neutrale Staaten, gegebenenfalls in Kombination;

– der Waffenstillstand könnte Ausgangspunkt für die Bildung einer entmilitarisierten Zone werden, in der UNO-Blauhelme stationiert werden;

– die Ukraine braucht Sicherheitsgarantien. Die könnten durch Garantiemächte gewährleistet werden, am besten durch solche, die nicht Konfliktpartei sind, wie Indien, die Türkei oder Südafrika, ggf. aber auch gemischt mit Partnern beider Seiten;

– für die russischen Interessen ist zentral, dass die Ukraine nicht zum militärischen Brückenkopf von USA/NATO wird;

– für die Lösung der Territorialfragen könnten nach einigen Jahren Volksabstimmungen unter internationaler Aufsicht durchgeführt werden. Modell könnte das Saarland sein, dass nach dem Krieg zehn Jahre unter französischer Verwaltung stand. 1955 entschieden sich 67,7 Prozent der Saarländer für den Beitritt zur Bundesrepublik. Die unterlegene Minderheit muss die Option zum Wechsel in das andere Land haben, flankiert durch soziale Unterstützung;

– als positive Anreize ist ein internationales Wiederaufbauprogramm für alle vom Krieg betroffenen Regionen aufzulegen, auch der unter russischer Kontrolle;

– die Sanktionen werden Zug um Zug abgebaut;

– Als weiterer Anreiz für Russland werden Verhandlungen zur strategischen Rüstungskontrolle gestartet;

– als längerfristige Perspektive beginnt eine Konferenz über eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur.

So oder so ähnlich sähe die Agenda einer Friedenskonferenz aus. Sie wäre schwierig und würde mit Rückschlägen zu kämpfen haben. Und natürlich würden alle Seiten Kröten schlucken und Maximalpositionen aufgeben müssen. Aber das gehört nun mal zum Wesen des Kompromisses.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei “Makroskop – Magazin für Wirtschaftspolitik”, hier mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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