Wenn deutsche “Leitmedien” eine Recherche machen, ist Sonntag. Journalistisch betrachtet. Ihre Verleger*innen halten sie kurz. Aber wenn sie in ihrer Sonntagsausgabe sechs Zeitungsseiten (falls Sie keine gedruckten Zeitungen mehr lesen: so eine Seite ist sehr, sehr gross; und Papier ist sehr sehr teuer geworden, seit die sibirischen Wälder nicht mehr zur Verfügung stehen) vollmachen, und dann ein Kölner Pensionär daherkommt, und ihnen die Ohren mal so richtig langzieht. Sind dann nicht jede Menge Grenzen überschritten?

Oder hat Werner Rügemer sich einfach die falschen Opfer ausgesucht? Sinkende Schiffe. Verkaufte FAZ-Auflage hier, verkaufte Welt-am-Sonntag-Auflage hier. Der US-Investor bei Springer ist schon lange nicht mehr amüsiert. Und andersherum gefragt: die reaktionären Dummköpfe, die immer noch meinen sich dort informieren zu müssen – ist es nicht von strategischem Vorteil, wenn die dumm bleiben? Das Problem daran, das ich einsehe, ist, dass nicht wenige von uns gewählte Politiker*innen im Berliner Hauptstadtghetto dazugehören, und ebenso viele Journalist*inn*en ernster zu nehmender Medien.

Noch vertrackter das folgende Beispiel. Peter Decker schreibt bei den geschätzten Kolleg*inn*en vom overton-magazin. Nicht blöd der Kerl. Sein Inhalt “Deutschland will den Krieg – warum eigentlich?” ist eingängig. Auch wenn die Bezeichnung “Deutschland”, wenn damit nicht die Regierenden sondern die Gesellschaft gemeint wäre, schon falsch ist. Aber nehmen wir zu seinen Gunsten an, er meine die Regierenden und die Herrschenden.

Der Herr Decker arbeitet bei einem Verlag in München, zu dessen organisatorischen Vorläufern eine zu meiner Studienzeit in den 70ern und 80ern berüchtigte Sekte gehörte. Sie nannte sich “marxistisch” (“MGs”), und war nach meiner damaligen festen Überzeugung vom Inlandsgeheimdienst infiltriert (ihr Wikipedia-Eintrag ist es ebenfalls). Ihr Sinn und Zweck war, die Mitgliederrekrutierung des ebenfalls “marxistisch” heissenden von der DDR finanzierten Studentenbundes “Spartakus” (MSB) zu behindern. Diesem hatte z.B. unser späterer Beueler Bezirksbürgermeister Werner Rambow angehört. Bei den MGs waren kritisch denkende Leute sicher verwahrt in politischer Wirkungslosigkeit, aber ausgiebig mit Schlaumeierei beschäftigt. Der MSB dagegen gewann durchaus beträchtlich Stimmen bei SP-Wahlen, und sogar bei wenigen Kommunalwahlen für die damalige DKP in Uni-Städten.

Politische Wirkungslosigkeit hasse ich fanatisch, als liberaler Demokrat, als der ich mich verstehe. Also habe ich die MGs in meinen Wirkungsbereichen an der Uni Bonn (SP und Fachschaft Politikwissenschaft) unbarmherzig hart und wirkungsvoll bekämpft – ohne sie zu “Opfern” zu machen. Irgendwann gingen sie mir aus dem Weg. Ein einziges Fachschaftsmitglied haben wir an die verloren. Und ein Jungdemokrat, der von Hagen nach Berlin umzog, landete in ihren Fängen. Berlin war schon immer bekloppt.

Ich weiss nicht, wie es heute um den “Gegenstandpunkt”-Verlag bestellt ist. Herr Decker scheint jedenfalls alt genug, als wenn er damals schon dabei war. Ich empfehle also spitze Finger. Aber für Fragen der Staatsräson hat er mglw. viel bessere Originalquellen als Sie und ich.

Wer ist der Boss?

Das ist in diesem Gefüge die offene Frage. Auch Hal Faber tut sich in seiner heise-Kolumne damit schwer. Ist es nun ein lustiges Detail, wie der Atombombenknopf des US-Präsidenten “in der Wäsche” landete? Oder ist das heute gar nicht mehr lustig? Ich schwanke.

Sicher ist: weder Lauterbach noch Böhmermann sind – zuende gedacht – ein Boss. Schönbohm auch nicht. Und Mrs. Truss? Not really. Oder?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net