ifa-Preis für inhaftierten Osman Kavala: Der in der Türkei zu lebenslanger Haft Verurteilte bleibt seinem Humanismus treu. In Abwesenheit erhielt er jetzt den ifa-Preis.

„Ich glaube daran, dass Kunst den Traum einer von einem wahrhaft universalistischen Humanismus geprägten Weltgemeinschaft Realität werden lassen kann“. Wie ein Verzweiflungsruf aus dem Kerker klang der Satz nicht, mit dem sich Osman Kavala am Donnerstagabend im Berliner Allianz-Forum aus der Ferne für den „Preis für den Dialog der Kulturen“ bedankte, den das Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) seit 2009 vergibt.

Der 65 Jahre türkische Kulturmäzen ist ein Phänomen. Seit fünf Jahren sitzt der freundliche Intellektuelle wegen angeblicher Umsturzpläne in einem Hochsicherheitsgefängnis. Im April wurde er ohne ausreichende Beweise zu lebenslanger Haft verurteilt, Freilassungsurteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, Appelle des Europarats ignorierte die Regierung in Ankara. Und doch bleiben die Statements, mit denen sich der stille Mann mit dem graumelierten Bart regelmäßig meldet, so sanft wie visionär.

Ob sich Präsident Erdoğan einen Gefallen tat, als er Kavala 2017 verhaften ließ? Mit seiner menschlichen Größe im Angesicht himmelschreienden Unrechts wächst Kavala mit jedem Tag in Haft zu einem Nelson Mandela der Türkei. Der ifa-Preis ist eine Geste der Solidarität, Kavala hat ihn aber auch verdient. Mit seiner Stiftung Anadolu Kültür hat er einen Dialog zwischen Türk:-, Kurd:- und Ar­me­ni­e:innen initiiert, der noch keiner türkischen Regierung glückte.

ifa-Präsident Ulrich Raulff verfiel bei der Zeremonie nicht in wohlfeile Rhetorik, sondern sprach mit der Formel von Kavala als „Geisel eines Autokraten“ Klartext, wo Offizielle gern ins diplomatische Ungefähr flüchten. Wenn der Fall Kavala eine Art „Lackmustest für das Ansehen der Türkei in Europa“ ist, wie Laudator Wolfgang Schäuble von der CDU meinte, ist er ebenso einer für die „wertebasierte Außenpolitik“ der Ampelkoalition.

Heftiger Beifall schlug der Künstlerin Silvina Der Meguerditchian entgegen, einer Weggefährtin Kavalas, als sie in einer couragierten Rede forderte, der Preis möge „die Kluft zwischen Real- und Moralpolitik schließen“ helfen.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.

Über Ingo Arend:

Der Autor ist Politologe und Historiker, er schreibt über Kunst und Politik. Stationen machte er beim Freitag, bei der taz und beim Deutschlandfunk Kultur. Er ist Mitglied im Präsidium der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK).