Zu Beginn der 1980er-Jahre gehörte Olaf Scholz der Führung der Jungsozialisten an. Er zählte zur sogenannten Stamokap-Fraktion, die lieber mit den bestorganisierten Moskau-nahen DKP-Gruppen als mit den Grünen kooperierte. In der Friedensbewegung etwa, zu deren Beratungen er von Hamburg aus meist zusammen mit Uwe Knickrehm, dem Vorsitzenden der DKP-Studentenorganisation MSB Spartakus, nach Bonn anreiste. Die Grünen wurden dort von ihrem Bundesgeschäftsführer Lukas Beckmann vertreten. Der pflegte das gegnerische Lager nach allen Regeln der Rhetorik politisch vorzuführen. Jungsozialisten und DKP warf er in einen Topf, weil sie einseitig die Abrüstung des Westens forderten. Die Grünen aber wollten eine blockübergreifende Abrüstung – der Nato und der Sowjetunion.
Scholz führte Gespräche mit der Staatsjugend der DDR und der Sowjetunion; in Ost-Berlin etwa mit Egon Krenz, dem FDJ-Chef. Die Grünen dagegen hielten Kontakte zu den Oppositionsgruppen in den Staaten des Warschauer Paktes – zur Solidarnosc in Polen, zur Charta 77 in der Tschechoslowakei und zu kirchlichen Friedensgruppen in der DDR. Als die Grünen vom DDR-Chef Erich Honecker empfangen wurden, trug Petra Kelly ein T-Shirt mit der Aufschrift „Schwerter zu Pflugscharen“. Das war der Slogan oppositioneller Friedensaktivisten der DDR.
Ihren Bundestagswahlkampf vor 40 Jahren führten die Grünen nicht bloß gegen Helmut Kohl und gegen die Helmut-Schmidt-SPD. Sie führten ihn auch gegen die Willy-Brandt-SPD und gegen die Jungsozialisten. „Verrat an der Ökologie- und Friedensbewegung“ warfen die Grünen der SPD vor. Die Jungsozialisten sollten „mehr Zivilcourage und Loyalität zur Sache zeigen und sich nicht an der Leine der Mutterpartei gängeln lassen“. Zwar konnten die Springermedien die SPD-Linken nicht leiden. Noch weniger allerdings konnten sie die Grünen ertragen. Wenn sich Grünen-Abgeordnete von der Fahrbereitschaft des Bundestages zu einer „Demo“ bringen ließen, wurde ein großes Buhei gemacht: Doppelmoral.
Sprung in die Neuzeit, Bundestagswahlkampf 2021, außenpolitische Talkrunde der zwei Kanzlerkandidaten und der einen Kanzlerkandidatin. Annalena Baerbock begründete ihr Nein zum Nord-Stream-2-Vorhaben. Deutschlands Energieversorgung dürfe nicht von Russland abhängen; die Partner in Washington und in der Europäischen Union, zumal in Osteuropa, seien dagegen. Der spätere Kanzler wurde vorgeführt. Im Streit über Lieferungen von Leopard-2-Panzern an die Ukraine preschte die Außenministerin vor. Sie sagte ja, Scholz sagte nein.
Dann aber sah sich Baerbock, wie nachträglich bekannt wurde, ihrerseits von Scholz ausgebremst. Während das Auswärtige Amt den deutschen Auslandsvertretungen noch mitteilte, in Sachen Leo 2 gebe es nichts Neues, wurde im Kanzleramt der Kurswechsel beschlossen. Scholz ist nicht vergesslich. Zufall oder nicht: Nun gab es Berichte, der Außenministerin stehe – wie früher übrigens auch Angela Merkel – eine Visagistin zur Verfügung. Subtext: grüne Machtlosigkeit und Doppelmoral.
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