Alaaf und Helau. Lange habe sie überlegt, welches Kostüm sie tragen solle, so Annalena Baerbock, als sie neulich in Aachen mit dem Orden „Wider den tierischen Ernst“ ausgezeichnet wurde. Die Außenministerin tat gut daran. Nur ein Anti-Olaf-Scholz-Gag war es, sie habe nicht als Leopard kommen wollen. Womöglich hätte ihr das Bundeskanzleramt die Reise nach Westen untersagt. Tusch – für ihr Vorpreschen bei Panzerlieferungen an die Ukraine.
Klug war es aber, in schwarzem Kostüm aufgetreten zu sein, das gewiss auch für den Bundestag gepasst hätte. Eine Verkleidung, die heute launig-witzig erscheint, kann morgen schon als peinlich-unangemessen bewertet werden. Baerbock wäre nicht die Erste gewesen, der Auftritte im Karneval politisch nachhaltig geschadet hätten. Samstags wurde Aachen aufgezeichnet. Am Tag der TV-Ausstrahlung bebte in Syrien und der Türkei die Erde. Eine Jahrhundertkatastrophe. Mit einer Außenministerin im Clownskostüm? Ihre Gegner hätten sich schier das Maul zerrissen.
Politik und Karneval. Die Akteure in Berlin kennen seine Untiefen, auch weil der rheinische Frohsinn an der Spree als Klamauk gilt. Als vor drei Jahren am Vorabend der tollen Tage ein Rassist in Hanau zehn Menschen erschoss, gab es seitens der Politik zuhauf Absagen für Düsseldorf, Köln und Mainz. Angemessener Weise und vorsichtshalber. Als Kabinettsmitglieder und Parteivorsitzende sind sie keine Privatleute mehr. Ein besonders heißes Pflaster betreten sie, wenn sie sich auf fremdes Terrain begeben und Büttenreden halten – wie weiland Annegret Kramp-Karrenbauer als „Putzfrau Gretel“ mit Scherzen über ein drittes Geschlecht, was für die damalige CDU-Vorsitzende zu einem politisch-kommunikativen Desaster erster Güte wurde. Ihren Nachnachfolger Friedrich Merz erwischte es jüngst in Aachen, weil ertappt: Beleidigt gucken bei Anti-Friedrich-Merz-Witzen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die es mit diesen toll getrieben hat, soll sogar, wurde spekuliert, für das Aus der FDP bei der Berlin-Wahl verantwortlich sein.
Kehrseite: Schwer hat es der Karneval mit den ernsten Dingen des öffentlichen Lebens. Der politische Kalender richtet sich kaum mehr an den tollen Tagen aus. Von wegen „fünfte Jahreszeit“. Vorbei die Zeiten, da Helmut Kohl Stammgast bei „Mainz bleibt Mainz“ war. Undenkbar heute, dass – wie einst vor den Augen Helmut Schmidts – ein Funkenmariechen auf dem Kabinettstisch im Sitzungssaal des Kanzleramtes tanzt. Indianerkostüme und Blackfacing sind out, Büttenreden und Sexismus ein heikles Thema.
Nun hat auch noch Henriette Reker, die Kölner Oberbürgermeisterin, die Debatte losgetreten, dem traditionsgemäß rein männlichen „Dreigestirn“ (Prinz, Bauer und Jungfrau) täte eine Frau gut. Und das ausgerechnet zur 200-Jahr-Feier seines Festkomitees, das 1823 auf Initiative preußischer Besatzer eingesetzt wurde, um Zügellosigkeiten der Jecken zu disziplinieren. Die allerdings machen der Metropole des Karnevals auch dieser Tage wieder zu schaffen. Wo soll das alles enden? In Berlin wird Hejo gerufen.
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