Verkehrsminister Wissing ist unwillens oder nicht in der Lage, die seinem Ressort per Klimaschutzgesetz vorgegebenen CO2-Einsparungen zu erreichen. Wissing handelt also gesetzeswidrig und müsste eigentlich zur Rechenschaft gezogen werden. Statt dessen än­dert die Regierung das Klimaschutzgesetz. Auf gut Deutsch heißt das: Wenn jemand nicht bereit ist, Gesetzesvorgaben zu folgen, wird das Gesetz so geändert, dass es seinen Vor­stellungen entspricht. Dieser Lösungsansatz eröffnet völlig neue Perspektiven, verein­facht Problemfälle, spart Kosten und liefert Rechtfertigungen. Überall hat hektische Betriebsam­keit eingesetzt, werden geheime Papiere und Anträge entwickelt. Einige Pläne sind nicht verborgen ge­blieben:

Die regierungsamtliche Vorgabe, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, ist geschei­tert. Auch die Wohnungskonzerne reduzieren ihre Bautätigkeit. Der Bedarf ist offenbar nicht vorhanden, der Markt verlangt keinen Wohnungsbau. Daher erübrigt sich die Be­kämpfung der Wohnungsnot. Die Wahlen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Parteien auch dann gewählt werden, wenn sie hierbei versagen. Deutschlands Bürger/in­nen haben sich mit Wohnungsmangel und Wuchermieten abgefunden.

Verschärfte Steuergesetze, -prüfungen und -strafen haben den Umfang an Steuerhinter­ziehungen nicht gemindert. Immer wieder werden neue Steuerschlupflöcher entdeckt und Steuerumgehungen erfunden. Staatliche Gegenmaßnahme sind offenbar nutzlos und ent­fallen daher künftig. Die Bevölkerung ist durch die Viel­zahl von mehr oder weniger krimi­nellen Steuerpraktiken bereits derart abgestumpft, dass sie weitere Tricksereien wider­spruchslos hinnimmt.

Immer wieder lassen sich Politiker/innen bestechen. Alle Abschreckungen sind geschei­tert. Schärfere Sanktionen lassen sich politisch nicht durchsetzen. Aus Rationalisierungsgrün­den werden daher die Gesetze gegen illegale Parteien- und Politikfinanzie­rung aufgeho­ben, bereits Verurteilte werden begnadigt. Angesichts der Unzahl von Skan­dalen ha­ben die Bürger/innen bereits verinnerlicht, dass Politik korrupt macht.

Die Bemühungen um zusätzliche Arbeitskräfte für Kranken- und Pflegedienste sowie für Seniorenheime sind weitgehend erfolglos geblieben. Sie werden daher eingestellt. Die Einrichtungen sind aufgefordert, selbst für Lösungen zu sorgen. Sie haben in den vergan­genen Jahren bewiesen, dass sie auch bei personeller Unterbesetzung arbeitsfähig blei­ben.

Die Regierung plant ein umfangreiches Heizungsgesetz: mit Pflichten, Fristen, Ausnah­men und Zuschüssen. Die meisten Menschen verstehen dieses System jedoch nicht. Da­her wird es durch eine Alternative ergänzt: Jede Person be­kommt eine Tonne grünen Was­serstoff und eine Tonne Dämmmaterial.

Da die FDP in der Regierung bleiben will, wird die Planung von Geschwindigkeitsbe­schränkungen auf Autobahnen nicht weiter verfolgt. Mehr als 75 Jahre erfolgreiche „Freie Fahrt für freie Bürger“ dokumentieren, dass den Prognosen von Energieersparnis und Un­fallreduzierung nicht zu trauen ist.

Die Zahl der Reichsbürger/innen wächst dank der Aufmerksamkeit, die die Medien ihnen widmen, und aufgrund ihrer zunehmenden Vernetzung immer weiter. Dagegen kann die Regierung nichts tun. Erfreulicherweise sind bisherige Umsturzversuche gescheitert. Da­her wird die Beobachtung durch den Verfassungsschutz eingestellt. Ohnehin waren Reichsbürger/innen bis 2010 weder bekannt noch auffällig.

Die Inflation ist rückläufig, und Deutschland steht im Vergleich zu anderen Staaten gut da. Daher erübrigen sich Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung. Seit 1953 hat es kein einzi­ges Jahr ohne Inflation gegeben. Sie gehört also zum Selbstverständnis der Gesellschaft.

Gerüchte besagen, dass die Grüne Bundestagsfraktion einen Antrag vorbereitet, wonach die Automobilwirtschaft das Gehalt von Minister Wissing zahlen soll.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.