Nachtschicht beim Emails-beantworten zum Verkehrschaos auf Gehwegen

Neulich an der Kreuzung Rheindeich/Kaiser-Konrad-Str./Prof.-Neu-Allee: aus jeder Richtung ein Fahrrad. Ich das Einzige, das eine Abbiegeabsicht nach links vom Rheindeich in die Kaiser-Konrad-Str. anzeigt (= ausgestreckter Arm). Eine*r biegt rechts ab, eine*r biegt links ab, nur eine*r fährt geradeaus. Ich überquere die Kreuzung als Letzter. Das ärgert mich nicht. Was mich ärgert ist, wenn eine*r seine Abbiegeabsicht nicht anzeigt. Radfahrer*innen regen sich zurecht auf, wenn Autos das nicht oder zu spät tun (in der Kurve statt vorher). Strassenverkehrsordnung § 9: “Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.” Was dort nicht steht: der “Fahrtrichtungsanzeiger” beim Fahrrad ist der Arm (= “deutlich”), nicht der Finger, und auch nicht der Gedanke.

Das Problem der Führerscheinprüfungen ist nicht nur, dass mann sie kaufen kann. Sondern auch, dass sie sogleich von der menscheneigenen Festplatte gelöscht werden, weil die Illusion der “grossen Freiheit” sich im Hirn breitmacht. Der Kontakt mit der Wirklichkeit wird dann in der Regel mehr oder weniger brutal, bisweilen tödlich. Diese Kreuzung ist ein besonderer Brennpunkt: von der Prof. Neu-Allee auf den Deich und umgekehrt wird bisweilen von Fahrrädern gerast, als gäbe es kein morgen mehr. Eingeschüchtert sind die in der Regel einheimischen PKWs. Aber was ist, wenn mal ein Auswärtiger sein Recht (rechts vor links) “nimmt”. Oder wenn mich jemand noch kurz vor der Kreuzung überholt, und mir meinen die Abbiegung anzeigenden Arm abfährt?

Wie kommichdrauf? Gestern habe ich mit der Stadtverwaltung korrespondiert und kann eine positive Sensation vermelden. Es ging um die Mischverkehre auf Gehwegen (z.B. Schwarzrheindorfer Rheindeich oder Bröltalbahnweg). Die Vielfalt der Verkehrsmittel wächst, und mit ihnen ihr Tempo. Das wird für Fussgänger*innen zunehmend nervig, für spielende Kinder (oder Haustiere) kann es lebensgefährlich werden. Ich korrespondiere lieber, bevor etwas passiert.

Ich schrieb um 18.31 h an stadtordnungsdienst@bonn.de, wie das dort gesehen werde, und rechnete optimistisch damit, in 3-5 Arbeitstagen eine Antwort zu erhalten. Eine Eingangsbestätigung erfolgte sofort automatisch. Baff machte mich, dass die Antwort doch schon während der ersten Barnaby-Folge (ZDFneo; 2,23 Mio., das waren mehr als “Hart aber fair”) um 21.11 h. erfolgte. Werner Werth arbeitete noch. Ich bedankte mich und hatte Nachfragen. In der 2. Barnaby-Folge (1,83 Mio.) um 22.24 h arbeitete der gute Mann immer noch! Wir waren zwar nicht einer Meinung, aber es antwortete ein echter Mensch, der sich um meine Fragen ernsthafte Gedanken machte. WOW!

Unsere inhaltliche Korrespondenz (und Kontroverse) fasse ich stichwortartig so zusammen. Meinen Vorschlag, auf dem Rheindeich Tempo 20 vorzuschreiben, hielt er für keine gute Idee. Es würde genügen, wenn sich alle an die Verkehrsregeln halten, wozu u.a. zählt, dass motorisierte (also auch: elektrische!) Fahrzeuge auf Gehwegen illegal sind.

Der Denkfehler, den Herr Werth und mutmasslich sein Amt aus meiner Sicht allzu hoffnungsvoll machen, ist, dass die Verkehrsteilnehmer*innen alle Verkehrsregeln kennen. Das ist nicht die Wirklichkeit (s.o.). Und zwar ganz abgesehen von denen, die gar keinen Führerschein machen. Ich will nicht mehr Regeln und Verbote. Mehr Aufklärung wäre schon viel.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net