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Heldenerklärung

Ottawa, 22. September 2023: Ein Angehöriger der SS-Division “Galizien” wird zum Helden erklärt – Über ukrainische Kriegsziele, Russland und die richtige Seite der Geschichte

Der ukrainische Präsident besuchte Kanada und sprach am 22. September während einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Parlament in Ottawa. Selenskyj erntete stehenden Applaus und das Versprechen auf weitere jahrelange Unterstützung. Nur: Im Verlauf dieser feierlichen Begegnung wurde ein 98-jähriger ukrainisch-kanadischer ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS mit stehendem Beifall gefeiert. Auch vom ukrainischen Präsidenten, der zuvor in seiner Rede betont hatte, dass Kanada immer auf der „hellen Seite“ der Geschichte gestanden hätte. Früher und auch jetzt, an der Seite des ukrainischen Volkes.

Besagter hochbetagter Exil-Ukrainer wurde eingeführt mit den Worten: Wir haben heute einen ukrainisch-kanadischen Veteranen des Zweiten Weltkriegs unter uns, „der für die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen kämpfte“ (und diesem Anliegen auch heute noch verpflichtet ist). Dann fiel der Name: Jaroslaw Hunka. Er wäre ein ukrainischer Held, ein kanadischer Held. „Wir danken ihm für seinen Dienst.“

Es war der Sprecher des kanadischen Parlaments, Anthony Rota, der Hunka so pries. Zuvor zitierte Rota Nelson Mandela, um dem ukrainischen Präsidenten zu versichern, dass die Kanadier die Ukrainer als Brüder und Schwestern ansehen würden. Was sich in der parlamentarischen Sitzung abspielte, ist auf Youtube zu sehen (ab Minute 48). Jaroslaw Hunka war nach eigener Beschreibung freiwilliges Mitglied der SS-Division „Galizien“ (später 1. Ukrainische Division). Im Zweiten Weltkrieg kämpften mehr als 1 Million Kanadier gegen Nazi-Deutschland. 45.000 ließen ihr Leben, 55.000 wurden verwundet. Diese Kanadier standen auf der „richtigen“ Seite der Geschichte.

Ihr Andenken, ihr Opfer wurde in Ottawa mit Füßen getreten, so wie das aller Opfer des deutschen Faschismus und seiner Helfershelfer, einschließlich der ukrainischen. Niemand der in Ottawa Anwesenden kann sich dadurch herausreden, er hätte nicht gewusst, auf welcher Seite Jaroslaw Hunka im Zweiten Weltkrieg stand. 2020 führte ein Gedenkmarsch für die SS-Division „Galizien“ in Kiew noch zu empörten politischen Reaktionen in der Ukraine und darüber hinaus..

Nun lüftete sich in Ottawa für einen Moment der Schleier verfälschter Geschichte und es zeigte sich, wohin Nationalismus und blinder Russenhass führen können: zu falschen Heldenbildern, die den Weg auf die dunkle Seite der Geschichte säumen. Aus dem erinnernden Blogbeitrag von Hunka aus dem Jahr 2010 geht das Folgende hervor (übersetzt mittels google):

Er stammt aus dem Dorf Urman, dem wohl „nationalistischstem Dorf“ der Region. Seine Familie war der ukrainischen Nationalistenbewegung treu ergeben. Als Vierzehnjähriger (1939) verachtete er die Polen, die vor den Nazis flohen. Wussten die nicht, was für ein zivilisiertes Volk die Deutschen sind? In den Deutschen sah er einen rettenden „Weißen Ritter“. Als Sechzehnjähriger hasste er die neuen sowjetischen Herren des Gebiets und den Stalin-Terror. Die Jahre der deutschen Besatzung waren für ihn die „glücklichsten“ seines Lebens. Als die Deutschen 1943 nach Westen abzogen, trat er der SS-Division „Galizien“ bei, so wie viele andere seiner Landsleute auch. 1989 besuchte er erstmals wieder seine Heimat und fand sie heruntergekommen. Er notierte entsetzt den „geistigen Verfall“ der Menschen. Den „sowjetischen Menschen“ empfand er als schicksalsergeben und „extrem gleichgültig“ gegenüber allem und jedem.

Aber der Ukraine, dem strahlenden Traum seiner Kindheit gehörte und gehört weiter sein Herz. Als Heimatlose ohne eigenes Land hätten sich, so Hunko, die ukrainischen Emigrierten ihre Identität bewahrt und „langsam, durch harte Arbeit, persönliche Kontakte und kulturelles Verhalten … die allgemeine Meinung der westlichen Völker auf unsere Seite“ (gezogen).

Offenbar ist das in großer Vollendung gelungen. So gut, dass kaum einen das Geschehen in Ottawa erschreckte.

“Tod des russischen Imperiums”

So gut, dass in der Süddeutschen Zeitung (23/24.September, Druckausgabe) der Generalsekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Danilow, unkommentiert das eigentliche Kriegsziel der Ukraine benennen konnte: die Zerschlagung Russlands. Auf die Frage, wie lange der Krieg dauern wird, holte Danilow aus. Im Westen, beschwerte er sich, gäbe es noch keine einheitliche Haltung, wie mit Russland umzugehen sei. Erst wenn das der Fall wäre, „kommen wir weiter“. Einige glaubten immer noch, „man könne Russland in der heutigen Form bestehen lassen“. Diese Leute, so Danilow, verstünden nicht, dass alles seine Zeit habe, und nun sei die Zeit „für den Tod des russischen Imperiums“ gekommen.

Das ist die „Weltveränderung“, von der man offenbar in Kiew träumt, denn Danilow ist nur der Diener seines Herrn Selenskyj. Der wiederum träumt auch nur noch davon, wovon bestimmte Kreise in Washington träumen: dem Garaus von Russland, auch zur Warnung für China.

Was ist mit dem politischen Berlin und was mit den deutschen Leitmedien? Gehören sie zu denen, die glauben, „man könne Russland in der heutigen Form bestehen lassen“ oder zu jenen, die wähnen, sie wären die Meister der russischen Zukunft? Wer der ukrainischen Regierung immer weiterreichende Waffen liefert bzw. liefern will, hat sich längst entschieden: für die Befeuerung des Krieges, bis zum bitteren Ende.

Sie wähnen, auf der „richtigen Seite“ der Geschichte zu stehen. Die vielen Toten in der Ukraine sind ihnen egal, denn sie starben für den „edlen“ Zweck. Und so merken sie auch nicht mehr, dass sie zu den Totengräbern einer Zukunft werden, in der keine Geschichte mehr geschrieben bzw. gesprochen werden wird.

Über Petra Erler / Gastautorin:

Petra Erler: "Ostdeutsche, nationale, europäische und internationale Politikerfahrungen, publizistisch tätig, mehrsprachig, faktenorientiert, unvoreingenommen." Ihren Blog "Nachrichten einer Leuchtturmwärterin" finden sie bei Substack. Ihre Beiträge im Extradienst sind Übernahmen mit ihrer freundlichen Genehmigung.

Ein Kommentar

  1. Annette Hauschild

    Mittlerweile hat diese Geschichte wütende Proteste nach sich gezogen. Petra Erler kommt das große Verdienst zu, dass sie als Erste die Nachricht im deutschsprachigen Raum verbreitet und kommentiert hat. Ohne ihren von mir sehr geschätzten Blog wäre wahrscheinlich diese Geschichte in deutschen Medien gar nicht vorgekommen. Ich schätze, dass sie eine der wenigen war, die die Videodokumentation des kanadischen Parlaments bis zum Ende geguckt haben. Die Ehrung fand ganz am Ende der Parlamentssitzung statt . Auf X, (ex-Twitter) haben außerdem der Politikwissenschaftler Iwan Katschinovski und Simon Ateba, Korrespondent in Washington, als erste reagiert. Katschinovski hat Fotos der SS-Division Galizien gepostet, auf denen er Hunka identifiziert haben will,

    Das Simon-Wiesenthal-Zentrum, die jüdischen Gemeinden haben scharf und wütend protestiert und auch in Polen ist das mittlerweile ein Thema.

    https://twitter.com/simonateba/status/1706022339849150511

    Heute schreiben auch der Tagesspiegel und die Berliner-Zeitung https://www.berliner-zeitung.de/news/kanada-warum-klatschten-selenskyj-und-trudeau-fuer-ehemaligen-ss-soldaten-jaroslaw-hunka-li.434837

    Was haben diese Parlamentarier im Kopf? Und was hat unsere Außenministerin im Kopf, die die Damen des ASOV-Regiments empfängt?

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