Das Schöne an den deutschen Landen ist: Es gibt für fast alles ordentliche Zahlen, die es gestatten, die Dinge miteinander zu vergleichen und ins Verhältnis zu setzen. Das wenig Schöne ist, dass auch wichtige Funktionsträger Zahlen ignorieren und aus dieser Ignoranz heraus Böses tun.

Böse ist es beispielsweise zu sagen: Das deutsche Sozialsystem trage Verantwortung daran, dass zu viele Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland strömten. Der Sozialstaat sei, kurz gesagt, schuld am Zug der Asylbewerber und Asylbewerberinnen über die Alpen und die Karpaten in die deutschen Lande. Die Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und der Zugang zum Gesundheitssystem für die Asylbewerber müssten hinterfragt werden, meint der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner, denn beides könne den „Finanzbedarf für den Gesamtstaat reduzieren“.

Der Minister müsste eigentlich in seinem „Hofstaat“ einige wenige haben, die ihn an eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2022 erinnern. Da heißt es: „Verfassungsrechtlich ist entscheidend, dass Sozialleistungen fortlaufend realitätsgerecht bemessen werden und damit tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge getragen wird. Der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich dabei nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Der existenznotwendige Bedarf muss stets gedeckt sein.“

Das ist eindeutig. Der Bundesfinanzminister darf auch nicht an der medizinischen Versorgung von Asylbewerbern herum schneiden. Die erhalten an medizinischen Leistungen das, was erforderlich, notwendig ist. Mehr nicht. Und wenn sie zu Ärztin oder Krankenhaus müssen, gehen sie zu Fuß oder sie fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Jedenfalls steht für sie weder der Dienstwagen noch der Porsche vor der Tür, wenn´s so weit ist.

Und die Kosten? Die Bundeszentrale für politische Bildung teilte mit: „Im Jahr 2021 leistete der Bund rund 21,6 Milliarden Euro an flüchtlingsbezogenen Ausgaben (Stand: Mai 2023). Das entsprach rund 3,9 Prozent der Gesamtausgaben – im gleichen Jahr (556,6 Mrd. Euro). 2022 waren laut rund 22,2 Milliarden Euro für asylbezogene Kosten eingeplant, 2023 sind es rund 16,9 Milliarden Euro.“

Die Ausgaben der Länder und Kommunen sind hier nicht berücksichtigt, allerdings steckt in den 16,9 Milliarden die Entlastung der Länder und Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen.

Das ist viel Geld. Stimmt. Aber keineswegs eine Größenordnung, durch die der Haushalt an einen Abgrund geriete. Es ist wohl eher so: Dem Bundesfinanzminister und mit ihm dem Kanzler ist die Schuldengrenze so viel wert, dass anderes dagegen zurückfällt. Wer so denkt und argumentiert, darf sich über Misstrauen und schwindende Akzeptanz nicht wundern.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Klaus Vater, geboren 1946 in Mechernich, Abitur in Euskirchen, Studium der Politikwissenschaft, arbeitete zunächst als Nachrichtenredakteur und war von 1990 bis 1999 Referent der SPD-Bundestagsfraktion. Später wurde er stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Vater war zuvor Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit unter Ulla Schmidt, Sprecher von Arbeitsminister Walter Riester, Agentur-, Tageszeitungs- und Vorwärts-Redakteur. Mehr über den Autor auf seiner Webseite.