Transformation — Der Klimawandel ist längst eingetreten, die Klimakatastrophe zu verhindern kann nur gelingen, wenn wir die Klimapolitik sowohl ökologisch als auch sozial gerecht gestalten
Donald Trump ist zurück, die deutsche Regierung zerbrochen – und das in Zeiten, in denen Klimapolitik höchste Priorität haben müsste. Obwohl Deutschland es geschafft hat, die Treibhausgase fast kontinuierlich zu senken, meldete der Sachverständigenrat für Umweltfragen schon im März: Deutschland hat die Gesamtmenge, die ihm nach dem Pariser Klimaschutzabkommen zustand, bereits vollständig aufgebraucht.
Wir haben keine Zeit fürs Lamentieren und für Verzweiflung. Es kommt auf uns alle an. Nur zusammen können wir den notwendigen Übergang zur Eindämmung des Klimawandels hinkriegen. Und dass wir diese Transformation hinkriegen müssen, steht außer Frage: Es geht um nicht weniger als die Existenzgrundlagen künftiger Generationen.
Was jetzt nötig ist, ist die Fantasie und das Wissen aller – und daraus abgeleitet gesellschaftlicher Druck auf die Politik. Der geht im Moment allerdings in die völlig falsche Richtung. Die Debatten um Pandemie und Migration haben den Blick verstellt, wo die wirklich große Bedrohung liegt: Die Grenzen der Belastbarkeit unseres Planeten sind weit überschritten. In immer kürzeren Taktungen erreichen uns Bilder wie die vom überschwemmten Valencia und zeigen, dass es alle treffen kann. Zugleich ist die Verantwortung sehr ungleich verteilt. In Deutschland belasten Menschen aus der ärmeren Hälfte der Bevölkerung das Klima 15-mal weniger als Leute, die zum reichsten Prozent zählen. Deshalb ist ganz klar: Die notwendige Transformation kann nur gelingen, wenn sie sowohl ökologisch als auch sozial gerecht gestaltet wird.
Geringere Energiekosten, mehr Arbeitsplätze
Leider wurde der soziale Aspekt in Deutschland bei der Klimapolitik bisher oft vernachlässigt. Förderungen wie die für E-Autos begünstigen überwiegend Wohlhabende, genau wie die Unterstützung bei der energetischen Sanierung von Gebäuden. Zugleich haben viele Menschen in schlecht isolierten Wohnungen Angst vor deren Umbau, weil ihre Miete anschließend massiv steigt. Zwar sollte ein Förderprogramm genau das verhindern – aber Vermieter nutzen es kaum, weil die Anträge mit viel Bürokratie verbunden sind und für sie finanziell am Ende kaum etwas herausspringt. So stockt es an vielen Stellen und Klimapolitik hat den falschen Ruf, ein Luxusthema zu sein, das man sich leisten können muss. Ein Perspektivwechsel ist dringend nötig.
Eine schlau gestaltete sozial-ökologische Wende bringt gerade für Menschen mit wenig Geld Vorteile. Ist ihre Wohnung gut isoliert, benötigen sie nur wenig Heizwärme. Existiert eine Solaranlage auf dem Dach oder am Balkon, kann sie Strom gratis liefern, während Gas- und Ölheizungen ständig neues Brennmaterial benötigen, das in den kommenden Jahren sehr teuer wird. Es ist deshalb sowohl aus ökologischer als auch aus sozialer Sicht sinnvoll, dass die am schlechtesten isolierten Wohnungen zuerst gedämmt werden und möglichst viele Leute rasch Strom aus erneuerbaren Energien beziehen. Die Frage ist nur: Wer bezahlt die dafür notwendigen Investitionen?
Hier lohnt ein Blick nach Wien. Für die dortige Stadtregierung ist klar: Die Wärmewende kann nur gelingen, wenn die Bewohnerschaft mit Optimismus und einer positiven Einstellung dabei ist. „2040 profitieren alle von geringeren und stabileren laufenden Energiekosten”, so das klar benannte Ziel. Der Weg dahin ist in einem Plan gut beschrieben. 600.000 Wohnungen müssen umgebaut, tausende von Menschen für die notwendigen Aufgaben angeworben oder qualifiziert werden. Die meisten Mietshäuser gehören der Kommune oder gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften und müssen deshalb keine Profite abwerfen, sondern lediglich die Kosten decken.
Auch die Verantwortung für die Lieferung von Fernwärme übernimmt Wien selbst und überlässt es keinen dubiosen Contracting-Firmen, wie es oft in Deutschland geschieht. Der Umbau in Richtung Klimaneutralität sei ein mächtiger Hebel, um den Standort zu stärken, findet der Chef der Stadtwerke. Das sieht das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut Wifoso genauso, das hat nämlich festgestellt: Allein durch die Investitionen des städtischen Energiedienstleisters seien in Wien in den vergangenen Jahren 10.000 Arbeitsplätze entstanden.
Alle sind gefragt
In einer Situation, in der das Vertrauen in die Politik schmilzt, braucht es viele Menschen, die mitdenken und mitgestalten – die zusammen nach Wegen suchen, die vom Abgrund wegführen. Nicht ein großer Zampano oder ein Hinterzimmer-Trio kann die sozial-ökologischen Probleme lösen. Die ganze Gesellschaft, wir alle, sind gefragt. Nur eine Vertiefung der Demokratie, ein ernsthaftes gemeinsames Suchen kann der komplexen Situation Rechnung tragen.
Vergegenwärtigen wir uns unseres Potenzials: Welch vielfältiger Wissensschatz ist in der ver.di-Mitgliedschaft vorhanden! Auch die Erfahrung mit Bürgerräten, bei denen die Teilnehmenden ausgelost werden und einen Querschnitt der Gesellschaft repräsentieren, sind sehr positiv. Wenn Menschen spüren, dass es auf sie ankommt und sie Verantwortung über den persönlichen Bereich hinaus tragen, entdecken sie oft neue Wege, die die Interessen anderer und auch künftiger Generationen einbeziehen.
In den vergangenen Jahren ist die Zufriedenheit mit der repräsentativen Demokratie geschrumpft. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung konstatiert einen „Vertrauenstiefstand“. Zugleich ist die Vermögensungleichheit extrem gewachsen – weltweit, aber gerade auch in Deutschland. Beim Klima gibt es ebenfalls eine Spaltung: Diejenigen, die die größten Verursacher sind, können sich am besten schützen – und zugleich sind die mit der geringsten Verantwortung am stärksten betroffen. So ist die Wahrscheinlichkeit für Menschen in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika 15-mal so hoch, durch Überflutungen, Stürme oder Dürren ums Leben zu kommen wie in Europa oder Nordamerika.
Klima-, Sozial- und Demokratiekrise hängen eng miteinander zusammen. Es geht sowohl um Umweltfragen als auch um Gerechtigkeit und Mitbestimmung. Lügen und Scheinlösungen á la Trump führen weiter in die Sackgasse. Das Gleiche gilt für die Abwehr und Ausgrenzung von Menschen, die weniger haben. Nur ernsthafte Auseinandersetzungen mit all diesen Fragen bieten die Chance, Wege aus der Gefahrenzone zu finden. Zentral sind deshalb eine solidarische Haltung und einander zuzuhören. Damit kann jede und jeder sofort anfangen – im Betrieb und in der Nachbarschaft. Entscheidend ist außerdem, die Politik damit zu konfrontieren. Wann wenn nicht jetzt? Im Wahlkampf gibt es die beste Chance, dass Politiker*innen zuhören. ver.di ist eine starke und vielfältige Gemeinschaft.
Nutzen wir sie!
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von ver.di-publik, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. Links wurden nachträglich eingefügt.
Schreibe einen Kommentar