So etwas hat noch kein Kanzlerkandidat zuvor losgetreten. Die Menschen, die gegen Merz Brandmauer-Durchbruch auf die Strasse gehen, muss man inzwischen wohl nach Millionen zählen. Die Medien auf der ganzen Welt berichten.

Die CDU/CSU, zumindest deren Führung, zieht sich währenddessen in ihre Trotzburg zurück: alles richtig gemacht, es war nötig, die Brandmauer steht!? Und manche Unionler an der Basis ziehen mit, halten die Klappe und versuchen wohl zu beweisen, dass die Union immer noch jener reine Kanzlerwahlverein ist, als der sie lange galt. Nachdenkliche Unionler könnten stattdessen ja auch versuchen, so etwas wie die demokratische Ehre der Partei zu retten, so wie Merkel, Laschet und Friedmann es zumindest versucht haben.

Das Problem der Union scheint mir besonders tiefgehend bei den Frauen zu sein. Merz hatte bei diesen 51% der Bevölkerung ja noch nie besondere Sympathien auf seinem Konto, nun scheinen die Gräben an vielen Stellen unüberwindlich. Bei einer Partei mit einem über Jahrzehnte so ausgeprägten Machtriecher wie die Union erscheint mir vollkommen unbegreiflich, wie sie so vollkommen blind darüber hinweggehen kann. Das ist für sich eigentlich schon der halbe Genickbruch. Die Union wird nach diesem Wahlkampf nicht mehr dieselbe sein.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.