Eine Sonnenfinsternis wird von vielen Enthusiasten und Kulturbegeisterten mit Spannung erwartet. Man weiß genau, wo man sie am besten beobachten kann. Manche Leute reisen von weit her an und nehmen lange Anfahrten in Kauf. Am 2. August 2027 wird eine totale Sonnenfinsternis stattfinden. In Deutschland wird sie nur in partieller Form auftreten, in der arabischen Wüste und am Roten Meer jedoch in voller Wirkung und sechseinhalb Minuten lang. Bis 2114 wird es die längste Sonnenfinsternis sein. Für diejenigen, die das miterleben wollen, wird bereits jetzt im Internet eine passende Kreuzfahrt auf dem Nil angeboten. Acht Tage kosten 1450 Euro, Beobachtungsschwerpunkt wird Luxor sein, die weltbekannte historische Stadt Altägyptens. Die Wahrscheinlichkeit einer freien Sicht wird mit 82% angegeben.

Sonnenfinsternisse gelten heute als sehenswertes Naturschauspiel. Es ist zwar rational erklärbar, übt aber doch eine seltsame Faszination aus. Nicht nur der rasche Eintritt der Dunkelheit und das Verstummen der Natur prägen diesen Eindruck. Plötzlich sind Planeten und Sterne zu sehen, rund um den dunklen Kreis, wo eben noch die Sonne schien. Sodann die Rückkehr zum Normalen: Das Licht wird langsam stärker, und die Vögel beginnen wieder zu singen.

Sonnenfinsternisse galten Jahrtausende lang als Omen für Unglücke und Katastrophen. Gewiss ist es ein schockierendes Ereignis, wenn plötzlich ohne erkennbaren Grund Sonne und Licht verschwinden. Vor 2610 Jahren hat indes eine Sonnenfinsternis positiv gewirkt. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet von einem Krieg zwischen Lydern und Medern, der schon neun Jahre dauerte. „Bei einer Schlacht wurde plötzlich der Tag zur Nacht,“ wie es der griechische Astronom Thales von Milet vorhergesagt hatte. Erschreckt „beendeten sie den Kampf und schlossen umgehend Frieden.“ Zeitlich passend sind für den 28. Mai 585 v.Chr. und für den 16. März 581 Sonnenfinsternisse nachweisbar – vielleicht wurde hier Weltgeschichte geschrieben.

Jahrtausendelang gab es keine wissenschaftlichen (oder anderweitig einleuchtenden) Erklärungen für Sonnenfinsternisse. Die Erläuterungen basierten auf Mythen und Aberglauben. In China glaubte man, ein böser Drache versuche, die Sonne zu fressen, und die Menschen müssten sich mit lautem Krach bemühen, ihn davon abzuhalten. In Japan befürchtete man, bei einer Sonnenfinsternis würde das Wasser vergiftet. Deshalb wurden die Brunnen abgedeckt. Für die Chimú in Peru war der Mond die wichtigste Gottheit, weil er die Sonne verdecken konnte. Andere indianische Völker glaubten z.B., bei einer Sonnenfinsternis würden Mond und Sonne ihr Geschlecht wechseln. Andere befürchteten, die Sonne würde erlöschen, und verschossen brennende Pfeile, um sie wieder anzuzünden.

Die Babylonier waren begabte Astronomen und legten mit ihrer Kenntnis der Himmelszyklen den Grundstein für die systematische Erfassung der Sonnenfinsternisse. Wie Keilschriften belegen, besaßen sie bereits um 800 v.Chr. die Fähigkeit, solche Ereignisse vorauszusagen – eine bedeutsame kulturelle, politische und wissenschaftliche Leistung. Damit schufen sie eine entscheidende Vorarbeit für die Astronomen des Mittelalters, so dass diese die Sonnenfinsternisse von 1654 und 1715 prognostizieren konnten.

In der Bibel wird zweimal von einer Sonnenfinsternis gesprochen. Für den Auszug der Juden aus Ägypten – für den es kein konretes Datum gibt – könnte das zutreffen. Die dreistündige Dunkelheit bei der Kreuzigung Jesu kann jedoch keine Sonnenfinsternis gewesen sein, da die damalige Konstellation der Gestirne dies ausschließt.

Sonnenfinsternisse haben immer wieder die menschliche Entwicklung beeinflusst. In antiken Zivilisationen haben sie Mythen, Riten, Rituale und Zeremonien veranlasst. Glaubenssätze entstanden. Orakel, Gebete und Opfergaben sollten die Götter gnädig stimmen. Sonnenfinsternisse haben Kunst, Kultur und Religion beeinflusst und inspiriert. Dass es sich um ein vorübergehendes Ereignis handelt, war vielfach nicht bewusst. Die Menschen begannen, über ihre Rolle und ihren Platz im Universum nachzudenken. Heute nutzen Historiker die Daten von Sonnenfinsternisse als Fixpunkte für chronologische Angaben.

Seit rund 3000 Jahren wissen wir nun, wie eine Sonnerfinsternis – auch Eklipse gennant – zustande kommt und dass man sie voraussagen kann. Durch präzise Sonnenbeoachtung konnten Astronomen schon bald herausfinden, dass Sonnenfinsternisse ausschließlich bei Neumond entstehen. Das ist jene Phase des Mondphasenzyklus, in der der Mond zwischen Erde und Sonne steht und daher von der Erde aus nicht sichtbar ist, da die (von der Sonne) beleuchtete Seite von uns abgewandt ist.

Wenn der Mond genau zwischen Erde und Sonne steht, wird das Licht der Sonne ganz oder zumindest teilweise von ihm verdeckt. Entscheidend dabei ist die präzise Anordnung der Himmelskörper: Erde, Mond und Sonne müssen auf einer geraden Linie liegen (Syzygie). Ausschlaggebend ist die Mondbahn. Während der Mond die Erde umkreist, durchquert er zweimal im Monat jene Ebene, in der die Erde um die Sonne läuft. In der Nähe dieser Schnittpunkte, auch Mondknoten genannt, können dann Sonnenfinsternisse stattfinden. Die Bahnen von Erde und Mond sind leicht elliptisch. Das bedeutet, dass ihre Abstände zueinander und zur Sonne variieren, und erklärt, warum es verschiedene Arten von Sonnenfinsternis gibt und warum diese unregelmäßig auftreten.

Wird die Sonne völlig verdeckt, spricht man von einer totalen Sonnenfinsternis. Dann wird der Tag zur Nacht. Wird nur ein Segment der Sonne verhüllt, handelt es sich um eine partielle Sonnenfinsternis. Besonders eindrucksvoll ist die ringförmige Sonnenfinsternis, bei der der Mond genau vor der Sonne steht und noch ein kleiner Lichtkranz rund um den Mond zu sehen ist. Totale Sonnenfinsternisse sind selten, partielle häufiger. Die bei einer totalen Sonnenfinsternis auf die Erde fallende Spur des Mondschattens ist nur einige hundert Kilometer breit. Deshalb ist eine totale Sonnenfinsternis stets nur in bestimmten Regionen der Erde zu beobachten. Die letzte partielle Sonnenfinsternis in Deutschland liegt noch nicht lange zurück, sie war am 29. März dieses Jahres.

Sonnenfinsternisse werden als geeignete Gelegenheit zur Sonnenforschung und -beobachtung wahrgenommen. Dies gilt z.B. für das Studium der Sonnenkorona und von Planetenbahnen. Manche Theorie und manches Modell konnte so entstehen. Sonnenfinsternisse haben jedoch nicht nur die Wissenschaft, sondern auch Kultur und Bildung bereichert und Neugier auf das Weltall geweckt. Die totale Sonnenfinsternis von 1919 erlangte wissenschaftliche Bedeutung, da sie die Lichtablenkung durch die Schwerkraft nachwies und damit zur Bestätigung der  Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein beitrug.

In jedem Jahr finden zwischen zwei und fünf Sonnenfinsternisse statt, etwa zu je einem Drittel total, partiell oder ringförmig. Dabei sind jeweils lediglich begrenzte Gebiete der Erdoberfläche erfasst. Weil stets nur ein schmaler Stdeifen verdunelt wird, kann durchschnittlich nur etwa alle 375 Jahre an einem bestimmten Ort mit einer totalen Sonnenfinsternis gerechnet werden. Die nächste totale Sonnenfinsternis in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird am 3. September 2081 stattfinden.

In den USA (wo denn sonst) tauchen im Zusammenhang mit Sonnenfinsternissen Verschwörungstheorien auf. Bei der totalen Sonnenfinsternis am 8. April 2024 wurde z.B. die Befürchtung verbreitet, dass dieses astronomische Phänomen massive Menschenopfer verursachen würde, geplant von irgendwelchen Eliten oder Aliens.  Andere fühlten sich damals zu absonderlichen Wahlkampfaktivitäten veranlasst. Insbesondere evangelikale und rechte Extremisten machten sich für Trump stark. Eine republikanische Kongressabgeordnete prophezeihte Erdbeben, Finsternisse und vieles mehr. Andere  schürten religiöse Ängste und beschworen die Sonnenfinsternis als Weckruf, mit dem die USA eine zweite Chance bekämen, wenn eine genügend große Zahl dafür beten würde. Sonnenfinsternisse seien eine Art ‘PR von Gott’, um auf die prekäre Lage der ‘Gottesnation’ hinzuweisen. Auch Trump selbst benutzte die Sonnenfinsternis. Wenige Stunden vor dem Ereignis veröffentlichte er ein Wahlkampfvideo, in dem sich sein Kopf quasi als Mondschatten vor die Sonne schiebt, erläutert mit den Worten „Der wichtigste Moment in der Geschichte der Menschheit“.

Sonnenfinsternisse treten bei allen Planeten mit Monden auf. Die Erde bietet jedoch eine Besonderheit, weil  Mond und Sonne optisch scheinbar gleich groß sind. Inzwischen gibt es sogar künstliche Sonnenfinsternisse, also durch menschliches Zutun erzeugte Phänome. Hierbei verdeckt ein Objekt die Sonne, meist ein Satellit, um deren äußere Atmosphäre sichtbar zu machen. Selbst der Mond kann verfinstert werden. Wenn die Erde zwischen Sonne und Mond gerät, fällt ihr Schatten auf den Mond und verdunkelt ihn. Auch hier gibt es eine totale Finsternis, wenn der Mond vollständig in den Kernschatten der Erde fällt, und eine partielle Finsternis, wenn dies nur teilweise geschieht.

Über Heiner Jüttner:

Avatar-FotoDer Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.