Beueler-Extradienst

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Asoziale Netzwerke sind asoziale Netzwerke!

Seit einigen Jahren schreibe ich mir als Datenschützer die Finger wund, versuche seit drei Jahren zumindest das “Jungdemokraten-Oldienetzwerk” – eigentlich politisch liberale, erfahrene, bürgerrechtlich bewusste Menschen – davon zu überzeugen, dass Facebook ein asoziales Netzwerk ist, das man verlassen muss, weil es Menschen ausspäht und zu Objekten macht, weil es zutiefst demokratiefeindlich ist. Weil es aufgrund seiner Algorithmen, die auf Profitmaximierung durch Manipulation von Zielgruppen, denen immer das angeboten wird, was sie hören wollen, ausgerichtet ist, die Gesellschaft spaltet. Weil es damit Parallelwelten, die Fakenews und Lügen von AfD und PEGIDA, die der Salafisten und Verschwörungstheoretiker nicht nur ermöglicht hat, sondern immer weiter bestärkt. Dass täglich 24 Stunden lang unsere Gesellschaft zerrüttet wird, nicht nur Unternehmen wie “Cambridge Analytica”, sondern vielen anderen zahlenden Kunden die Daten von Facebook zur Verdummung der User geliefert werden, und sich Facebook dabei einen Dreck um Gesetze schert.

Das professionelle Lügen-Netzwerk

Facebook ist ein Täuschungs- und Lügen-Netzwerk. Wie das im Einzelnen funktioniert, dazu hat Peter Schaar in seinem Blog der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz ausführlich Stellung genommen. Wer ein bisschen recherchiert, stößt im Internet auf Unternehmen wie “Fanslave” (!), bei denen man sich für 690 Dollar 20.000 “Follower” kaufen kann. Tausende Unternehmen beschäftigen sich damit, das Ranking auf Google oder die Zustimmung auf Facebook kommerziell zu manipulieren. Mit Wahrheit und Zuverlässigkeit hat das alles nichts zu tun und eigentlich weiss das jedermann/frau, denn jeder Provider bietet inzwischen an, Dich auf den Suchmaschinen nach oben zu manipulieren. Dass sich die asozialen Netzwerke aus den USA – im Gegensatz zu den VZ-Werken, die in Deutschland 2012 gesetzeskonform pleite gingen, – um Datenschutzgesetze nicht kümmern, ihre Milliardenprofite zum größten Teil der Besteuerung entziehen, vor denen ganze Regierungen einknicken und zu Kreuze kriechen, ist längst bekannt, aber es wird hingenommen. Und dass deren Chefs und Profiteure wie Marc Zuckerberg, vor allem aber sein “alter Ego”, der milliardenschwere deutschstämmige Peter Thiel, der Steuerzahlung ablehnt, Demokratie für überholt hält, seine Milliarden einsetzt, um das “Ewige Leben” entweder durch Transfer des menschlichen Bewusstseins in Computer oder biologische Unsterblichkeit zu erreichen, seit Jahren von der Politik verschont werden, weil Parteiapparate von CDU, CSU, SPD, FDP und sogar der Grünen, vor allem aber auch der AfD die Manipulationsinstrumente der asozialen Medien schätzen, nur weil sie hoffen, dass der Effekt ihrer Wahlkampagnen dadurch vergrößert wird, ist der eigentliche Skandal.

Dass selbst die öffentlich-rechtlichen Medien ihre Zuschauer dazu auffordern: “diskutieren Sie mit uns auf facebook oder Twitter” ist ein Riesenproblem. Ich möchte nicht, dass z.B. in einer Diskussion über Gesundheit oder Sexualität, psychische Probleme, Religion, Krebskrankheit, Altersdemenz oder über den Anschlag auf einen russischen Doppelagenten in Großbritannien und über Seehofers AfD-Flüchtlingspolitik die NSA Wort für Wort mitliest. Ich möchte auch nicht, von Facebook aufgrund meiner Meinungsäußerung Clustern zugeordnet werden, von Konsumenten, politisch einzuordnenden, sexuellen Minderheiten oder Allergikern und Kranken. Ganz abgesehen, das die Öffentlich-rechtlichen Medien damit die Totengräber der eigenen Daseinsberechtigung fördern. Vielleicht bedarf es ja eines Datenskandals wie des aktuellen, dass auch bei den klassischen Medien einige Entscheider aufwachen und merken, welche Reptilien sie da in den vergangenen Jahren hip und trendversessen unkritisch an ihrer Brust genährt haben.

Noch schlimmer sind Politiker, insbesondere die der aktuellen Groko, die – man kann gar nicht entscheiden, ob dumm oder böswillig – die Bürger vor diesen Datenkraken nicht beschützt, sondern sie ihnen bewusst ausliefern. Vor einigen Tagen habe ich hier beschrieben, was die unsägliche Koalitionsvereinbarung der GroKo zu diesem Thema enthält:

Keine Schutzmacht der “kleinen Leute” und ihrer Rechte

Das Verhältnis dieser Koalition gegenüber der Schutzfunktion des Staates zur Wahrung von Grundrechten wird am besten anhand diverser Passagen zum Datenschutz deutlich, der ja durch die am 25.5.2018 in Kraft tretende EU-Datenschutz-Grundverordnung gestärkt wird. Warum, so fragt man sich, will dann die Groko sich:” auf EU-Ebene außerdem für eine Privacy-Verordnung einsetzen, die im Einklang mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung die berechtigten Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern und Wirtschaft angemessen und ausgewogen berücksichtigt.” Wieso “ausgewogen”? Das kann übersetzt nichts anderes heißen als: Wir werden uns für die Änderung und Aushöhlung der DSGVO zugunsten der Wirtschaftsinteressen einsetzen? Dass es sich hierbei nicht um Voreingenommenheit des Verfassers handelt, zeigt die Vereinbarung ab Zeile 2087: “Wir wollen uns für eine Stärkung der Kompetenz der Nutzerinnen und Nutzer sowie für mehr Transparenz und „Privacy by Default“ und „Privacy by Design“ auf Seiten der Anbieter einsetzen und die Entwicklung von innovativem Einwilligungs-management fördern und unterstützen.”  Einwilligung zu erleichtern, heisst nichts anderes, als noch leichter an personenbezogene Daten zu gelangen. Und so heisst es auch an einer der folgenden Stellen: “Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts.” – Rohstoff wofür? Für Zuckerberg und Co.? Und weiter: “Wir setzen uns für eine innovationsfreundliche Anwendung der Datenschutzgrundverordnung ein.” “Innovationsfreundlich” klingt hier wie ein Synonym für die Aushöhlung dieser Grundsätze, bekannt durch Bestrebungen auf den beiden letzten beiden “IT-Gipfeln”, wo seitens der Industrie und des BitKom versucht wurde, den Datenschutz durch den Begriff einer sogenannten “Datensouveränität” zu relativieren.

Verschwurbelte Formeln und ideologische Floskeln

Entsprechendes Mißtrauen verdienen deshalb auch Formulierungen wie: “Wir werden zeitnah eine Daten-Ethikkommission einsetzen, die Regierung und Parlament innerhalb eines Jahres einen Entwicklungsrahmen für Datenpolitik, den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen vorschlägt. Die Klärung datenethischer Fragen kann Geschwindigkeit in die digitale Entwicklung bringen und auch einen Weg definieren, der gesellschaftliche Konflikte im Bereich der Datenpolitik auflöst.” Hier sollen offensichtich ernsthafte und grundlegende ethische Fragen, die untrennbar mit ökonomischen Interessen verknüpft sind, von einer Kommission “erschlagen” werden. Ein derartiges Vorhaben innerhalb von Jahresfrist bewältigen zu wollen, kann nur auf ein zutiefst unseriöses Verfahren hindeuten. Ebenso könnte man festlegen, das Problem des Baus eines interstellaren überlichtschnellen Antriebs binnen Jahresfrist zu erledigen. Was die GroKo bei diesen Themen in Sinn hat und warum sie kritische gesellschaftliche Diskussionen füchtet, wird in wolkigen Insider-Formulierungen deutlich: “Die Wettbewerbsfähigkeit Europas hängt entscheidend von der Verwirklichung des einheitlichen digitalen Binnenmarkts ab. Deshalb wollen wir grundsätzlich auf einseitige, nationale Regulierungen verzichten, um die europaweite Umsetzung von digitalen Geschäftsmodellen zu erleichtern. Wir streben an, die Freizügigkeit von Daten als fünfte Dimension der Freizügigkeit zu verankern.”

 

Diese Passagen der Koalitionsvereinbarung müssen im Licht der jetzt offensichtlich gewordenen Manipulationen und Datenmißbräuche durch asoziale Netzwerke wie Facebook als Verhöhnung der Bürger und ihrer Grundrechte in einer ganz anderen Qualität erscheinen. Es darf gezweifelt werden, dass SPD und CDU in ihrem neoliberalen Wahn, jede sich bietende technische Chance ohne Prüfung der Folgen zu fördern, den subjektiv empfundenen, angeblichen Nachteil der deutschen Wirtschaft gegenüber den dreckigen und zum Teil zutiefst sittenwidrigen Geschäftsmodellen wie Facebook, Uber und Amazon aufzuholen. Sie ignorieren Datenschutzgesetze, Arbeitsschutzgesetze, Gesetze im öffentlichen Beförderungsgewerbe und Sozialgesetze. Es zeigt, wie wenig die Politik bisher diese Geschäftsmodelle durchschaut und ihre zerstörerische, existenzvernichtende und gegen soziale und demokratische Verfassungen gerichtete Grundideen verstanden hat. Insofern ist der aktuelle Facebook/Cambridge Analyitica-Krise vielleicht ein Anlass, dass manche aufwachen – allerdings wird sich nur etwas ändern, wenn die bisher unkritischen User endlich Konsequenzen ziehen und sich umorientieren. Im ersten Schritt könnte man zu XING umziehen – einem Netzwerk nach deutschem Datenschutzrecht, das freilich nicht umsonst ist – denn wer umsonst das Internet nutzen will, bezahlt immer mit seinen Daten! Immer!

Niemand würde eine Atombombe privatisieren

Aber etwas ganz anderes ist längst überfällig: Die Regulierung und Bändigung der asozialen Netzwerke durch Gesetze. Niemand käme auf die Idee, die Verfügungsgewalt über die Atombombe privaten Firmen zu überlassen. Asoziale Netzwerke können auf andere Weise ebenso zerstörerisch wirken, weil sie das Denken und das Verhalten von Menschen manipulieren und für das Eskalieren inner- und zwischengesellschaftlicher Konflikte mitverantwortlich sind. Es ist Zeit, gegen ihre Macht einzuschreiten und sie zu regulieren. Besser werden sie damit nicht werden, weil sie auf Profitmaximierung ausgerichtet sind. Deshalb sollten wirklich soziale Netzwerke gegründet werden. Zum Beispiel durch die öffentlich-rechtlichen Medien. Sie hätten das Geld, wenn sie nicht Milliarden Gebühren für Fußball und Olympia-Kommerz verpulvern oder besser: veruntreuen würden. Ein soziales Netzwerk ohne Überwachung, ohne Kommerz, wirklich im Dienste und Interesse der Menschen, die es nutzen – was für ein sozialer und demokratischer Fortschritt, welch ein Traum!

Drehtüreffekte zwischen Facebook, Geheimdiensten und Rüstungsbranche

Und meine Bitte an Interpol, Europol, BKA und Polizei, Abteilung organisierte Kriminalität: Ermittelt doch bitte mal nicht nur gegen den Vorzeige-Schwiegermutterschwarm mit Welpenschutz, Marc Zuckerberg. Knöpft Euch mal Peter Thiel und die anderen dubiosen Anteilseigner von Facebook vor, deren Biografien mit der NSA und dem militärisch-industriellen Komplex der USA verbandelt sind. Wie z.B. Jim Breyer von der Risikokapital-Firma „Accel Partners“. Der ist Vorsitzender des amerikanischen Branchenverbandes der Risikokapitalfirmen, der National Venture Capital Association. Sein Vorgänger in diesem Verband war Gilman Louie, der von dort direkt zum CIA gewechselt ist und die Firma „In-Q-Tel“ gegründet hat. In-Q-Tel ist laut eigener Webseite eine Risikokapitalfirma des CIA, eigens gegründet, um Entwicklung von Technologien zu unterstützen, die für Geheimdienste interessant sein könnten. Der dritte große Facebook-Investor ist die Firma Greylock Partners. Greylocks Senior Gesellschafter Howard Cox pflegt seit Jahrzehnten beste Kontakte zum Pentagon und ist im Aufsichtsrat von In-Q-Tel. All das ist öffentlich im Internet einsehbar, öffentlich und die Tatsache, dass sich hunderttausende Menchen diesen dubiosen Gestalten mit ihren persönlichsten Daten ausliefern, nur noch traurig!

Zum weiterlesen die Spiegel-online-Kolumne von Sascha Lobo, ein telepolis-Kommentar von Florian Rötzer und das DLF-Interview von Thilo Weichert.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Alexander Kallenbach

    Vielen Dank für diesen Artikel. Statt auf Xing hätte man allerdings vielleicht besser auf das freie, dezentrale soziale Netzwerk Mastodon hinweisen können, welches aktuell einen großen Zustrom an Nutzern erfährt:

    https://joinmastodon.org/

  2. Heiner Jüttner

    Auf meinem Briefpapier stehen als Fußzeile folgende Worte durchgestrichen: SMS WhatsApp Facebook Twitter Amazon. Das ist zwar recht willkürlich, gefällt mir aber.
    Heiner Jüttner

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