Vor wenigen Wochen hatte ich hier anhand des Streits um einen Dokumentarfilm zum Thema Antisemitismus die Unternehmenskommunikation des WDR kritisiert, vor allem die innere und den Umgang mit Mitarbeiter*inne*n. Die derzeit an #metoo-Fällen im gleichen Sender geführte Debatte verstärkt diese Eindrücke.
Ich stimme den Ausführungen von Sonia Mikich im Spiegel-online-Interview immer noch weitgehend zu. Es ist auch richtig, wenn sich die Leitung des Senders Zeit nimmt: lieber gründlich aufklären als schnell (ganz wie ich das auch bei Skripal verlange).
Wenn die Darstellung von Correctiv allerdings zutrifft, dass bei einem Vorgang im Jahr 2010 (damals Intendantin: Piel, Fersehdirektorin: Kulenkampff, Chefredakteur: Schönenborn), der Hinweisgeber diszipliniert wurde, stellen sich erneut Fragen an die Unternehmens-, Kommunikations- und Führungskultur des Senders, die einer öffentlichen Erklärung bedürfen.
Dazu gehört für mich Respekt davor, dass die WDR-Hausleitung nicht voreilig Sündenböcke in den allgemeinen hektischen Medienregen stellt, sondern sich noch an arbeitsrechtliche Fürsorgepflichten erinnern kann – ich weiss selbst viele Stellen, wo die schon in Vergessenheit geraten sind. Sie muss allerdings auch vor der Taktik gewarnt werden, dass, wenn die Sau erstmal durchs Dorf gejagt ist, danach schon Gras über den Vorgang wachsen wird. Wer das glaubt, hat die Tiefe der #metoo-Debatte, die sich immer weiter globalisiert, noch nicht verstanden.
Der Sender WDR ist öffentlich-rechtlich: er ist also uns, der Öffentlichkeit verantwortlich. Und wer als Journalist*in für diesen Sender vor Kamera und Mikrofon tritt, ist nicht nur privat, sondern eine öffentliche Person – er*sie stellt sich öffentlich aus und ist in seinem/ihren Job nicht mehr nur privat. Vor allem die Jungs haben das bis heute nicht vollständig kapiert. Ich rate ihnen immer: wenn Du nicht mehr weisst, was richtig ist, frag’ Deine Frau oder Freundin – und/oder lies Dich ein bei Frau Stokowski.
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