Der Mord am prominentesten iranischen Geheimdienstgeneral und Chef der israelfeindlichen Kuds-Brigaden durch eine US-Drohne mag für den einfach denkenden US-Präsidenten Trump in dessen Wahrnehmung – und der seiner Wähler – ein Erfolg gewesen sein. “Kuckt mal, was ich kann” ist Trumps infantile Botschaft, die ihm bei rechten wie evangelikalen Wählern Zustimmung bringt. Politisch ist es die größte Dummheit seit dem Sturz des demokratisch gewählten iranischen Präsidenten Mossadeq durch die CIA in den 50er Jahren. Man muss weder ein Freund des korrupten, islamistischen Iran, noch der Mullahs sein, um Kurzsichtigkeit und vor allem die weltpolitische Verantwortungslosigkeit des aktuellen US-Präsidenten zu erkennen und zu fürchten.

Mit seinem militärischen Angriff auf einen führenden Repräsentanten des Mullahregimes hat er nicht nur internationales Völkerrecht verletzt: Hätte der Iran das Gleiche getan, man hätte es mit Recht “Staatsterrorismus” genannt. Trump hat jahrzehntelange und bewährte Grundsätze der Außenpolitik verletzt. Spätestens seit Mitte der 70er Jahre wäre der Israelische Mossad in der Lage gewesen, Palästinenserführer Jassir Arafat zu liquidieren: Warum hat man das nicht getan? Weil es ein ungeschriebenenes Gesetz der Diplomatie und der internationalen Beziehungen gibt, dass man Personen, die bestimmte Ränge beim potenziellen Feind bekleiden, nicht ermordet. Die Gründe liegen auf der Hand: Weil sie nicht allein für eine ernst zu nehmende Richtung oder Strömung stehen und ersetzt würden, somit ihre Ermordung nutzlos wäre. So bereits geschehen im Iran. Darüber hinaus, weil ihr Tod Solidarisierungseffekte bis zur Schaffung von Märtyrern nach sich zöge und weil sie den Gegner oft noch weniger berechenbar machen würden. So bereits eingetroffen.

Angriff gegen das Regime zwingt alle Iraner zur Loyalität

Weitere Gründe sind innenpolitischer Art: Gerade ein Regime wie das der korrupten iranischen Mullahs hat innenpolitisch natürlich Gegner – es wird aber aufgrund der realen Machtverhältnisse und Abhängigkeiten durch Angriffe dieser Art von außen nicht geschwächt, sondern eher gestärkt. Die innenpolitischen Oppositionsbewegungen sind in der Vergangenheit immer wieder zu bestimmten Zeitpunkten daran gescheitert, gegen die schiitische Geistlichkeit vorzugehen – der mit allen Wassern gewaschene Geheimdienst der Mullahs, der letztlich mit islamischem Vorzeichen die Tradition des faschistischen SAVAK fortsetzt, hat es immer wieder verstanden, die Opposition zu unterdrücken. Im “Arabischen Frühling” durch Nutzung der Facebook-Daten und zuletzt Mitte der 10er Jahre anlässlich der Revolte gegen Ahmadinejad. Im vergangenen Jahr hat es wegen der Versorgungslage Demonstrationen und eine aussergewöhnlich brutale Strategie der Niederschlagung der Opposition gegeben, bei der tausende Iraner ums Leben kamen und verhaftet wurden.

Jeder mittelmäßige Geheimdienstlehrling würde aus Sicht der USA daraus den Schluss ziehen, dass ein offener Angriff gegen einen hohen Repräsentanten des Regimes der Opposition schadet, weil er die Reihen der Iraner zumindest kurzfristig wieder hinter den Mullahs schließt. Die Tötung des in der staatlichen Hierarchie des Regimes 2. Mannes nach Ajatollah Chamenei, eint selbst regimeinterne Kritiker hinter den Mullahs. Er zwingt gemäßigte Kräfte wie Präsident Rohani hinter die Staats- und Religionsführer.

Die politische Elite wird sich hinter Ajatollah Chamenei versammeln. Volker Perthes, Direktor der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin und Islamexperte, ordnet deshalb den Drohnenanschlag der USA als eindeutige Kriegserklärung an den Iran ein. Nichts anderes antworteten die Mullahs in den Freitagspredigten der Moscheen und riefen zum Widerstand und Hass gegen die USA auf. Lange sind diesem Aufruf nicht mehr so zahlreiche regimetreue Demonstranten gefolgt. wie an diesem Freitag. Auch in dieser Hinsicht muss der Erfolg der Aktion aus US-amerikanischer Sicht als Pyhrrussieg erscheinen. Was also ist das Ziel dieser Wahnsinnaktion?

Braucht Trump einen Krieg…?…

Donald Trump braucht in diesem Jahr einen Wahlsieg. Dieser Sieg steht innenpolitisch trotz guter Konjunktur, seiner Tabubrüche und der zweifelhaften Wirkung des Impeachment-Verfahrens, das sich nicht zugunsten der Demokraten entwickelt, auf tönernen Füßen. Viele haben inzwischen bemerkt, dass es seiner Politik nur um die Bereicherung der Reichen und um rücksichtslose Ausbeutung der Ressourcen geht. Er hat wie niemand zuvor die amerikanische Gesellschaft gespalten und er kann nichts tun, als diese Spaltung weiter zu vertiefen. Deshalb kann er, um wiedergewählt zu werden, durchaus einen Krieg gut gebrauchen, der die Nation hinter ihrem Präsidenten einigt. Und diesen scheint er derzeit zu provozieren.

Krieg im Nahen Osten – das bedeutet ökonomisch Stress für Europa, und das ist immer auch im Interesse der USA. Denn diese glauben sich aufgrund des Fracking-Öls und Fraking-Gases derzeit zurückversetzt in die goldenen Zeitalter der 50er Jahre, als die US-Ölquellen in Texas und anderswo noch sprudelten und den größten Teil des Bedarfs decken konnten. Mit dem Iran haben sie allerdings mit einem Gegner zu tun, der bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass sein Führungskreis sich im Gegensatz zu Trump nicht von kurzfristigen Emotionen leiten lässt. Hierzu hat der Iran ein internationales Netzwerk ideologisch getreuer Hilfstruppen ausgebildet und gefördert – ob im Gaza-Streifen, in Syrien, in Somalia, im Libanon oder im Irak. Wo und gegen wen sich der Vergeltungsschlag richten wird, bleibt vorerst unklar. Und der Iran wird – anders als Trump – mitdenken, wie seine wie immer geARTEte Aktion auf Europa als Partner des Atomabkommens wirken wird. Trump und die USA werden es jedenfalls nicht leicht haben, von der asymmetrischen Kriegserklärung, die sie ausgesprochen haben, wieder herunter zu kommen.

…oder leidet er an Persönlichkeitsspaltung?

Trump wollte seine “Jungs” nach Hause holen. Jetzt hat er sich gute Gründe an den Hals geschafft, um noch viel mehr “Jungs” zu entsenden. Er will angeblich keinen Krieg, aber er schafft ständig Anlässe für einen neuen Konflikt. Egal, was ihn antreibt, er ist eine Gefahr für den Frieden, der internationalen Beziehungen und vielleicht schneller, als wir hinschauen und begreifen können, für den Fortbestand der Menschheit auf unserem Planeten.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net