Das Scheitern der Katholischen Kirche an sich selbst dürfte kein Einzelfall bleiben
Die Soziologie als Zweig der Sozialwissenschaften wird einen archäologischen Zweig einrichten müssen. Zahlreiche kollektive Organisationsformen von Menschen, die von andern oder sich selbst für ewig gehalten wurden, befinden sich vor unseren Augen in einem Prozess des Verschwindens. Werden sie das Eis an den Polkappen überholen, oder dahinter zurückbleiben? Eine offene Frage, mit der ich gleichzeitig kennzeichnen möchte, dass bei mir keine Schadenfreude dominiert, sondern ein Gefühl von Ambivalenz.
Die “Kirche-und-Staat” Debatte, die in den 70ern von den Jungdemokraten in die Gesellschaft und in die FDP hineingetragen wurde, hatte seinerzeit keinen Erfolg. Der deutsche Korporatismus aus den grossen Parteien, Verbänden und Kirchen stand fest zusammen, gegen das Böse da draussen in der gefährlichen Welt. Hätten die Kirchen, klitzekleine Minderheiten in ihnen erkannten das, die Chance begriffen, die damals in diesem Diskurs für sie enthalten war, wären sie heute vielleicht nicht so reich, aber dafür krisenfester (Modewort heute: “resilienter”).
Durch die Pontifikate der Reaktionäre Wojtyla und Ratzinger, eingebettet in ein festes Bündnis mit den Grossmächten von EU und Nato, und der erfolgreichen Inszenierung zahlloser medienorientierter Massenevents, glaubten sie auf der sicheren Seite, immer als Fettauge auf der kapitalistischen und antikommunistischen Suppe schwimmen zu können. Ganz schwerer Irrtum, der erst jetzt für alle sichtbar wird. Jegliche Aufarbeitung der eigenen Sündengeschichte wurde unterlassen. Die Schwulencombo in der Spitze der Hierarchie spielte die übelst denkbaren Schwulen- und selbstverständlich Frauenhasser, wie sie es für gute Tradition hielten. So brauchten sie keine politischen Gegner mehr, sondern wurden selbst zum Holzwurm in ihrem morschen Gebälk.
Während in Mitteleuropa die Gläubigen ungläubig werden (in Deutschland stellen sie die grösste Gruppe vor irgendeiner Religion), verloren sie in Afrika und Amerika Terrain an dubiose noch fundamentalistischere Sektenkonzerne, deren Geschäftsmodell die Generierung von Extraprofiten durch durchchoreographierte Missionspropaganda ist.
In den 70ern hat sich die CDU/CSU von den katholischen Bischöfen noch die Wähler*innen*schafe durch Kanzel-Hirtenworte zusammentreiben lassen. Heute wollen selbst die Christdemokrat*inn*en, die sowieso kaum wissen, was diese Bezeichnung inhaltlich bedeuten soll, mehrheitlich nicht mehr so gerne mit einem richtigen Prälaten auf einem Foto gesehen werden.
In den letzten 30 Jahren habe ich praktisch gelernt, dass die grossen Kirchen wichtige Bündnispartner*innen sein können. Nicht nur in der Friedensbewegung der 80er (da waren es noch eher innerkirchlich widerständige Gruppen), sondern in den 90ern als Schutz für rassistisch verfolgte Flüchtlinge und andere von diesem deutschen Gespenst gefährdete Menschen. Die reichen Infrastukturen der Kirche waren in diesem Politikbereich eher Hilfe als Hindernis.
Wie aber in anderen Grossorganisationen und Konzernen lebt die klitzekleine Führungsschicht dieser bürokratisch aufgeblasenen Apparate (s.o. “Kirche und Staat”) in einer weltabgewandten Alltagskultur, die sie zu vielen strategisch und organisationssoziologisch lebensgefährlichen Fehlern geführt hat.
Dass ausgerechnet ein Herr namens Marx sich in dieser Krise als weiser Mann zeigt – das kann doch kein Zufall sein.
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