Im DLF diskutierten sie heute vormittag “Täglich neue schockierende Bilder – Wie gehen Sie mit dem Krieg in der Ukraine um?”. Ich plädiere für mehr Macht für die Tontechnik. Seit der Coronapandemie wird das Ohr von den elektronischen Medien gequält. Das Casting der Anrufer*innen könnte ebenfalls stark verbessert werden – aber Call-in-Sendungen gibt es ja, weil sie billig sind. Da können sie nicht plötzlich qualifiziertes Personal beschäftigen. Wie kommichdrauf? Weil ich gestern Abend in der “Blauen Stunde” viel über Mediendiät diskutiert habe.
Wir genossen einen lauen Frühlingsabend bei exzellenten Tapas, diskutierten über die gleiche Weltlage wie die Trashtalks in der Glotze – nur dass es bei uns wesentlich sachlicher und qualifizierter zuging. Niemand ist gezwungen den Abend mit Trash zuzubringen.
Während wir redeten, bastelte die Emma an einem Brief an Olaf Scholz. Ein telepathisches Phänomen. Ich hatte das Gespräch mit einem ehemaligen Mitarbeiter der NRW-Staatskanzlei aus der Ära Johannes Rau mit dem Satz eingeleitet: “Als Student habe ich ihm nicht über den Weg getraut – aber heute würde ich dem Olaf den Rücken stärken.”
Auch unser Freund Friedrich Küppersbusch zeigt sich von zunehmender Bitterkeit gezeichnet.
Der Trick ist folgender. Die Spin-Doktor*inn*en versuchen im Bunde mit mitspielbereiten Medien – in Teilen besteht zwischen beiden auch eine Identität (u.a. im Springerkonzern und im Spiegel) – ein gesellschaftliches Klima, eine Stimmung zu erzeugen. Inwieweit die mit Mehrheitsmeinungen übereinstimmt, ist dann politisch uninteressant, wenn die Mehrheiten sich nicht mehr politisch artikulieren. So kann es passieren, dass sich die Mehrheit individualisiert und “allein” fühlt, obwohl sie das gar nicht ist. Ein wesentlicher politischer Zweck ist dann erreicht.
Es wiederholt sich ein Muster aus der sog. “Flüchtlingskrise”. Die “Willkomenskultur” der Mehrheit wurde mit einer fast identischen Inszenierung von “kippender Stimmung” erstickt. Rechtsradikale Minderheiten, die es immer gegeben hatte, die aber lange geschwiegen hatten, weil sie keine Chance mehr sahen, wurden aufgeweckt, fassten Mut, nicht nur zu öffentlichem Geschrei, zum Wählengehen für die AfD, sondern auch einer Welle von Gewalttaten. Obwohl sie dennoch nie eine Chance zur Mehrheitsbildung hatten.
Ein Schwächezeichen: bei FAZ uns SZ wird immer mehr gemauert, heute z.B. Jürgen Habermas/SZ. Im Mittelalter wurden solche Leute noch in dunklen Türmen an die Kette gelegt. Heute landen sie im digitalen Paywall-Beton. Jedes Medium macht sich seinen Untergang selbst.
Frau Noelle-Neumann von Allensbach entwickelte mal die Theorie von einer „Schweigespirale“ mittels derer wenige laute (aus ihrer Sicht linke) Medienschaffende gegenüber einer schweigende Mehrheit ein Klima erzeugen würden, in dem sich diese nicht mehr zu widersprechen traut. Damals durchaus als Propaganda pro Kohl gemeint und zu verstehen, findet diese Theorie heute in der Mainstream-Kriegspropaganda ihre traurige Erfüllung.
Angesichts dieser unreflektierten Haltungspolitik (Gesinnungsethik nach Weber), die völlig den Aspekt aus den Augen verliert, dass verantwortungsvolle Politik zuerst einmal wirklich verstehen muss, was die jeweils andere Sichtweise und Interesse ist, schaudert mir. Verantwortungsethik scheint kaum noch vorhanden und wenn, wird sie als „trotziger Pazifismus“ derer desavouiert, die die „Zeitenwende“ nicht verstanden hätten!