Wenn an einem – heute in Westdeutschland so – stürmischen Tag Quantität (Leser*innen-Massen schon nachts) mit Qualität (dem Iran-Text von Ali Mahdjoubi) so zusammenpasst, scheint das Bloggen einen Sinn zu haben. Kopfschüttelnd müssen wir hierzulande zur Kenntnis nehmen, dass sich kluge Köpfe in unseren Medien mittlerweile von Mr. Trump jeden Bären aufbinden lassen, z.B. seine angebliche “Hoffnung“, das Regime in Iran stürzen zu sehen. Trump braucht eine Show für seinen Heimatmarkt, dieses Jahr sind Midtermelections, viele Pfründe werden mglw. neu verteilt. Da könnte ihm nur wenig Schlimmeres passieren, als wenn die Rolle eines reaktionär-muslimischen Mullahregimes verlorengehen würde. Und das Regime findet, wie Ali richtig beschrieben hat, in Trump den Ideal-Teufel, um sich innenpolitisch zu stabilisieren.
Manche gutwillige aber unwissende Spin-Doktor*inn*en und Journalist*inn*en reagieren nun ratlos. Wer wäre denn ein*e gute*r Ansprechpartner*in? Mit wem wäre politisch gut zusammenzuarbeiten? Selbst “unsere Geheimdienste”, deren Inkompetenz nun wahrlich historisch hinreichend nachgewiesen ist, wüssten nicht Bescheid. Das klingt ein bisschen verwöhnt von liberaler Demokratie. So schwer ist es nicht. Hier ist die ARD ausnahmsweise mal zu loben, die einen Korrespondentinnenplatz kompetent besetzt haben könnte. Auch mein Gastautor Ali Mahdjoubi ist kein seltenes Exemplar. Holt Euch die Kompetenz ins Haus, wenn Ihr sie selbst nicht habt. Es gibt sie in jeder deutschen Grossstadt. Politische Flüchtlinge sind hier, nicht weil sie uns auf der Tasche liegen und AfD-Wähler*innen ausrotten wollen, sondern … aus politischen Gründen. Und aus ebendiesen Gründen wollen sie arbeiten. Wenn wir es ihnen nur erlauben würden.
Dass die Medienherde sich in diesen Tagen so auf den Iran stürzt, will ich nicht tadeln. Bekäme das Land eine modernere Regierung, liesse es seine gesellschaftlichen Demokratiepotenziale, das hohe Bildungsniveau seiner Bevölkerung, sich entfalten, hätte es das Potenzial zu einer regionalen Grossmacht, und zwar nicht militärisch-mörderisch, sondern sozioökonomisch und damit viel nachhaltiger begründet. Das wäre eine gefährliche Konkurrenz für alle andern Despoten in der Region. Besonders Saudi-Arabien, dessen Feudalmacht auf der Ausbeutung und Entrechtung seiner zu 80% ausländischen und arbeitenden Bevölkerung baut, die nun – Ähnlichkeiten mit uns sind nicht zufällig – auch dort den Staatshaushalt sanieren soll. Auch Erdogan hätte daran nur wenig Freude, eingekeilt von Demokratien in West und Ost, das fände er nicht gut.
Ein paar Hinweise auf weitere Sachverhalte, die hinter dem Nichts der nun beginnenden deutschen Sondierungsverhandlungen nicht verschwinden sollten. Neben dem deutschen Bauchnabel z.B. noch das:
Warum geht die EU gegen Polens Regime vor, nicht aber Ungarn, Österreich u.a.? Die Erklärung von Eric Bonse u.a. ist peinlich einfach. Übersehen? Nicht wichtig?
In Südsudan gab es 29 Tote bei “Kämpfen um Weideland”. Es könnte eine unzulässige Komplexitätsreduktion sein, wie sie deutsche Nachrichtenredaktionen und -agenturen lieben. Was wissen wir über das Land? Warum erfahren wir nicht mehr? Hier Aufschlussreiches aus 2014.
Der Krieg im Jemen wird fortgesetzt, mit “unseren” Waffen. Ist das nicht schön, wie toll exportfördernd die dort ausprobiert werden können? Immerhin setzte sich das lobenswerte DLF-Medienmagazin @mediasres mit den Schwierigkeiten seriöser Berichterstattung aus diesem Krieg auseinander. Strategische Konsequenzen in irgendeinem deutschen Medium? Kennen Sie welche?
Myanmar, heute Seite3 der SZ, die grundsätzlich nie online gestellt wird, und darum von mir nur noch in Ausnahmefällen gelesen wird. Wenn ich die Wahl zwischen einer aufgeschlagenen SZ-Doppelseite und einem iPad habe, dann nehme ich angesichts meiner 60-jährigen Schultermuskulatur Letzteres. Und lese stattdessen diese aufregend informative historische Darstellung der Myanmar-Konflikte, die bereits einen Tag vorher bei telepolis erschien. Herzlichen Dank auch an die britischen Kolonialverbrecher, die der Menschheit dieses Erbe hinterlassen haben.
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