Beueler-Extradienst

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Endlich weggelobt?

Eine der unerschrockendsten Journalistinnen der Gegenwart hat schon lang Anstöße erregt. Sie moderiert seit über einem Jahrzehnt die “Tagesthemen” im Wechsel mit Ingo Zamparoni, sie ist ein Schwergewicht gut vorbereiteten und vor allem nachfragenden Journalismus. Ihre kritischen Interviews mit Bundeskanzler*innen, Minister*innen, Wirtschaftslenker*innen oder ausländischen Repräsentant*innen aller Art und Gesellschaftsordnung sind ein Qualitätsmerkmal für die ARD. Das war vielen Politiker*innen schon lange ein Dorn im Auge. Politiker wie Jens Spahn oder Friedrich Merz oder auch den Cum-Ex-Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz nahm sie schon mal im Live-Interview auseinander.

Jetzt darf sie der ins Koma gefallenen Politiksimulation von Anne Will am Sonntagabend versuchen, neues Leben einzuhauchen. Leider ist zu befürchten, dass sie diesem Unterhaltungsformat, dessen Aufklärungswert gegenüber echten Politiksendungen schon lange hinterfragt werden müsste, sogar eine Imageverbesserung verschafft. Aber was sie auch tut: Hauptsache, sie ist nicht mehr das, was sie ist, werden ihre Kritiker und viele viele Interviewte erleichtert denken, denen sie kritische Fragen im Sinne der Aufklärung und eines guten Journalismus – selbst in der ARD – gestellt hat. Ihre Schuhe sind groß und ihrer Nachfolgerin ist nur zu wünschen, dass sie sich ähnlich resolut in der Medienmännerwelt durchsetzt. Ich drücke jedenfalls die Daumen.

Politik-Sandkastenspiele werden neu aufgestellt

Aber das ist ja nicht die einzige Politiksimulation, die vor Veränderungen steht. “Hart aber Fair” steht vor – dem Aus? Martin Böttger hat darüber schon geschrieben – ein Verlust für die Welt wäre es nicht. Aber im KStA stand heute, es soll “die jüngere Generation besser erreichen. Durch Ausstrahlung von Dialogen im Tik-Tok-Format vielleicht? Viel schlimmer aber empfand ich die heutige Ankündigung im Medienteil des “Kölner Stadtanzeiger”, dass Frau Maischberger Gelegenheit bekommen soll, ihre unsäglichen Sendungen – zuletzt mit zentralem Auftritt des AfD-Hetzers Chrupalla zur europäischen Flüchtlingspolitik – noch auszubauen. Schlechter Journalismus, den der WDR ohnehin mit zuviel Geld honoriert – etwa €990.000 jährlich für ihre Moderationen und rund €4,6 Mio. für die Produktionsfirma – soll noch öfter die Bewusstseins der eingeborenen Bevölkerung in Deutschland mit spießbürgerlichen Thesen, scheinliberalen Lösungen und vor allem nach rechts offenen Themen besalbern.  Dafür  lädt Maischberger immer die etwa 35 gleichen Teilnehmer*innen in unendlicher Wiederholung ein. Allein für diese Ideenlosigkeit hätte die Sendung die Absetzung verdient.

Wer unterhält kann nicht mehr schaden – warum dieser Rollenwechsel?

Ich schätze Caren Miosga wirklich sehr und kann mir vorstellen, dass sie versucht, aus dem Sonntagabend- Talkformat etwas anderes zu machen, als das, was diese Politiksimulation unter – oder eigentlich trotz – Anne Will geworden ist. Denn die war ja auch einmal eine hervorragende “Tagesthemen”-Anchorfrau. Aber ich vermute, dass die Betroffenen, die diesen Schritt gehen, sich dieses Wechsels der Informationsfronten nicht bewusst sind. Und ich frage mich auch, was dieser Wechsel eigentlich bedeutet. Vielleicht nehme ja nur ich mit meinem alternden politischen Bewusstsein wahr, dass ich Menschen und ihre Profession noch miteinender in irgendeine Beziehung bringe.

Ikonen, weil sie es nicht taten

Ich denke da z.B. an einen Menschen, der heisst bis heute “Mr. Tagesthemen”. Geben Sie das mal in die Suchmaschine ein, und “Ulrich Wickert” erscheint. Der “Bericht aus Bonn” wurde jahrzehntelang von Friedrich Nowottny, dann von Ernst-Dieter Lueg moderiert. Gabriele Krone-Schmalz, langjährige Washington- und Moskau-Korrespondentin oder Franca Magnani, Peter Merseburger, Gerd Ruge, Klaus Bednarz  oder Sonja Seymour Mikich – sie alle haben als Journalist*innen ein Profil gewonnen, das über ihren aktuellen Job hinaus ging, sie zu Persönlichkeiten der Zeitgeschichte machte.  Die meisten arbeiteten nach ihrem Abtreten von der großen Bühne weiter. Aber mit wenigen Ausnahmen eben nicht fachfremd.

Dem Abgrund so nah

Anne Will ist heute journalistisch und politisch nur noch ein Schatten ihrer selbst. Als ob ein Peter Scholl-Latour eine Sendung moderiert hätte, welche arabische Scheichs welchen getunten Mercedes, BMW  oder Porsche sie fahren und warum die Formel 1 in Bahrein oder Saudi-Arabien gastiert – und selbst da wissen wir, würde er noch einen kritischen Bericht daraus machen. Weil er sich nie an Simulationen beteiligt hat.

Ähnlich gegensätzlich das politische Gegenstück:  Hier der “Elder Statesman” Helmut Schmidt, der nach seiner Kanzlerschaft weltweit beachtete Vorträge hält – und  dort ein Ex-Bundeskanzler Schröder, der Aufsichtsrat von Gazprom und anderer russischer Firmen wird und sich peinlichst  bestechen und auf lukrativen Posten als politische Marionette instrumentalisieren lässt.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Martin Böttger

    It’s the economy, stupid! Wer von der Tagesthemen-Moderation zum “Talken” (dt. Schwätzen) wechselt, wird von der Angestellten zur – so glauben sie, “unabhängigen”, vor allem aber sich besser bereichernden – Unternehmerin = Chefin. Was Du von denen denkst, ist denen egal.

    • Roland Appel

      Natürlich, natürlich! Ich bin ja in Wahrheit auch nur neidisch, weil man mich trotz meines unbeirrbaren Einsatzes für das Asylrecht nicht zum Chef der “Frontex” EU-Abschiebetruppen gemacht hat…

  2. Helmut Lorscheid

    ich habe noch nie eine dieser Quasselsendungen auf ARD oder ZDF gesehen. Ich werde es voraussichtlich auch niemals tun.

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